Advents-Kalender-Türchen #24: Riccardo Reuss
Für einen befreundeten Gastroenterologen haben wir über Jahre eine Sammlung zu „Werden & Vergehen“ aufgebaut und jetzt in seiner Bibliothek eine Kabinett-Ausstellung dazu kuratiert. Im KAP-Advents-Kalender präsentieren wir der interessierten Öffentlichkeit Highlights. Türchen #24: Ricardo Reuss.

Wir sind bei Heiligabend angekommen, und es ist uns eine große Ehre, dem geneigten Lesenden zum Fest das für uns wertvollste Stück der Sammlung Bloehme zu präsentieren: Das „Gurkenchristkind“ (1972) des hierzulande noch viel zu unbekannten „Gurken-Fotografen“ Ricardo Reuss (1951-1993).
Für uns ist das Bild ein zwar später, aber dennoch wichtiger Beitrag zum Surrealismus, der ja bekanntlich, einem Bonmot seines Schutz-Geistes Lautréamont folgend, eine Nähmaschine mit einem Regenschirm auf dem Seziertisch kreuzt.
Es gibt noch eine Edition, für die Reuss das Polaroid 1982 vergrößert hat (Auflage: 20), aber dies hier in der Hammer Sammlung Bloehme ist das Original! Es gibt also wirklich nur eins davon. So, wie vom Christkind selbst.
Reuss hat das Bild mit einer US-amerikanischen „Polaroid Close-Up 5 Land Camera“ gemacht, die, bis in die Neunzigerjahre produziert, mit ihrem Ringblitz ursprünglich für die Dentalfotografie – ja, richtig gelesen: fürs defekte Gebiss! – erfunden worden ist.
Der Entwicklungs-Prozess wird ausgelöst, wenn man die Aufnahme aus der Kamera zieht, und dauert so lange an, bis man eine weiße Deckschicht davon entfernt.

Foto oben: Vom „Gurkenchristkind“ gibt es auch noch diese Edition.
Die Hammer Sammlung Bloehme hat das Original!
Die ideale Entwicklungszeit ist je nach Außentemperatur zwischen 30 Sekunden und drei Minuten: Ein etwas kompliziertes Verfahren, das schnell schief gehen kann, zumal die Kamera über keinen Sucher verfügt (braucht man für den Mundraum nicht)! Ricardo Reuss hat diesen Prozess des Werdens allerdings perfekt beherrscht!
Die Textur des „Gurkenchristkinds“, die hier in der KunstArztPraxis leider nicht einmal ansatzweise wiedergegeben werden kann, ist unfassbar schön.

Vom Gurkenchristkind spannt sich der heilsgeschichtliche Bogen aufs Wundervollste zum seltsam schwebenden, einarmigen Christus des phantastischen, ziemlich radikalen Fotografen Michael Ackermann.
In unser Bibliotheks-Schau zu „Werden & Vergehen“ wird er von den Beinen einer Spielzeug-Puppe aus dem sündigen Paris der Zwanzigerjahre gehalten, die wir aus dem Düsseldorfer Atelier von Eduard Roijen entwendet haben.
Der sündigen Puppe fehlt der rechte Arm (er ist beim Entwenden abgebrochen), dem sündlosen Christus der linke: für uns die perfekte Ergänzung.
Vielleicht zu Ostern
Beim einarmigen Christus müsste das Motto natürlich „Vergehen & Werden“ heißen – denn der von Ackermann abgelichtete Gekreuzigte steht ja kurz davor aufzuerstehen!
Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden. Vielleicht an Ostern.

Foto oben: Einarmige Spielzeugpuppe, 1920er Jahre,
Sammlung Bloehme, Hamm 2025
In diesem Sinne: Frohe Weihnacht. Lassen Sie sich reich beschenken. Kommen Sie gut ins Neue Jahr. Und: Sammeln Sie Kunst! Es lohnt sich unbedingt.
Ihre KunstArztPraxis. (24.12.2025)



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