Schönheits-OPs (4): MKM Museum Küppersmühle
Alle Naslang verändern die Ständigen Sammlungen der Museen ihr Gesicht. Die KunstArztPraxis porträtiert und bewertet die ästhetischen Eingriffe in loser Folge. Heute dreht sich alles um das Duisburger MKM Museum Küppersmühle, das mit radikalplastischen Aufpolsterungen glänzt.
Kosmetisch begann die Geschichte der MKM-Erweiterung bekanntlich mit einem krassen Kunstfehler. Die Wundverschlussfäden (vulgo: Schweißnähte) waren eine Katastrophe, das verwendete Implantat (Stahlgerippe) war Schrott. Die Operation am offenen Bau musste 2011 abgebrochen werden. Plastisch ein Desaster.
Zehn Jahre später sind die (seelischen) Narben halbwegs verheilt und wir wollen nach vorne blicken. Haben die neuen Schönheitschirurgen ihre Sache besser gemacht? Kann man sich als Gemälde oder Skulptur aus der Sammlung Ströher in ihrer neuen Haut jetzt wirklich wohlfühlen? Und: Werden wir als Betrachter betäubt von Schönheit?
Auf der Suche nach Antworten sezieren wir also erstmal nur die Architektur. Und bringen später noch etwas zur Ständigen Sammlung. Versprochen.
Hier also unsere Wertung nach den für Schönheits-OPs im Kunstbereich gängigen Kriterien:
Lifting: Nach den Plänen der verworfenen Konturgebung sollte das alte Gesicht der Küppersmühle ein Leuchtkubus krönen. Hätte sicher aufgesetzt gewirkt. Jetzt haben sich die Schönheitsexperten vom Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron in ihrem 2013 begonnen Eingriff erstmal auf die inneren Werte konzentriert.
Herausgekommen ist eine straff mit neuer Haut geweitete Spannung zwischen Durchgangspassagen und weißen Würfeln für die Ausstellungsräume. Das ist im Gesamteindruck brillant gelungen. Auch Fluchtlinien und Räumhöhen, die sich an den Kunstbeständen orientieren, stimmen.
Äußerlich schließt der spitzwinklig zulaufende Erweiterungsbau nicht nur das Gebäude, sondern die ganze Reihe von Mühlen und Speicherhäusern am Duisburger Innenhafen würdevoll ab. Das mit mittig gebrochenen und im Zickzack zueinander verlegten Ziegelsteinen besetzte Make-Up der Fassade zeigt der hässlichen Autobahn daneben nun ästhetisch die hübsche korrigierte verlängerte Nase.
Vergrößerungen / Verkleinerungen: Size does matter. Das gilt auch im Bereich der plastischen Verlängerung von Museumsbauten. Wo anatomisch oft nur fünf Zentimeter möglich sind, gibt es im architektonischen Sektor kaum Grenzen. Es sei denn, eine hässliche Autobahn erzwingt Abstand.
Für das MKM bedeutet das: rund 4.900 Quadratmeter mehr auf vier oberirdischen Geschossen und im Keller, davon circa 2.500 Quadratmeter neue Ausstellungsfläche mit 36 hellen, klar strukturierten und vorrangig nach Künstlern sortierten Räumen. Da wirkt nichts aufgepolstert, sondern alles schlüssig.
Draußen war sogar noch Platz für 35 neu gepflanzte Platanen. So konnten sogar aktuelle Schönheitstrends (Natur! Nachhaltigkeit!) mit berücksichtigt werden.
Plastische Modellierung: Zur Plastik der in der Architektur wie in der kosmetischen Chirurgie gleichermaßen so genannten Volumetrie ließe sich Vieles sagen. Wir wollen hier aber nur über das Formvollendetste sprechen: das Treppenhaus aus terrakottagetöntem Beton.
Mit seinem erdfarbenen Ziegelmehl-Teint korrespondiert es ganz wundervoll mit seinem Pendant, das Herzog & de Meuron bereits in den 1990er Jahren an den historischen Ziegelbau der Mühle heranmodellierten und von dem aus man nun wieder in die Wechselausstellungen gelangen kann.
Seine Rundungen zitieren in zwei Drehungen pro Etage die ursprüngliche Architektur mit ihren inzwischen herausgeschnittenen Zwischendecken. Und schenken dem aus den White Cubes der Ausstellungsräume entströmenden Auge einen spektakulären Farb- und Formgenuss.
Narben / Einschnitte: Hach ja, was heißt hier schon „Narben und Einschnitte“! Beim neuen MKM gehört es schließlich zum Konzept, auch das Alte zu bewahren. So sind auch die alten Stahlsilos von 1934 als in ihren Neubau integriert. Ihre rostige Patina wurde unbehandelt belassen. Null Anti-Aging also.
Laut Architelten sind die Silos ein „unverzichtbarer plastischer Bestandteil des Industriedenkmals“. Schönheitschirurgischer hätten wir es auch nicht ausdrücken können.
Die Ausstellungsebenen sind durch die aufgeschnittenen Silos hindurch über Stahlbrücken zu erreichen. Von unten kann man 30 Meter in die Höhe oder von der Brüstungsgalerie nach unten blicken. Alles in Absprache mit der Denkmalpflege. Und im Kontrast zum Niederknien wundervoll.
Fazit: Das neue Gesicht des MKM ist von so herausragender Eleganz und Noblesse, dass wir beim Besuch vor Ort jegliche kritische Distanz verloren haben. Das ist ein Tempel für die Kunst, dessen vollkommen gelungene Physiognomie selbst die ja teils auch nicht mehr ganz so junge deutsche Kunst nach 1945 frisch und unverbraucht erscheinen lässt.
Aber das zeigen wir ja, wie schon gesagt, in der KunstArztPraxis später.
gez. KunstArztPraxis (26.10.2021)
Alle Schönheits-OPs in der KunstArztPraxis:
Schönheits-OPs (3): Kunstmuseum Villa Zanders
Schönheits-OPs (2): Kolumba Köln
Schönheits-OPs (1): Kunstmuseum Bonn
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