Advents-Kalender-Türchen #12: Burkhard von Harder
Für einen befreundeten Gastroenterologen haben wir über Jahre eine Sammlung zu „Werden & Vergehen“ aufgebaut und jetzt in seiner Bibliothek eine Kabinett-Ausstellung dazu kuratiert. Im KAP-Advents-Kalender präsentieren wir der interessierten Öffentlichkeit Highlights. Türchen #12: Burkhard von Harder.

Die beiden Porträt-Fotos links und rechts von Gastro-Sammler Bloehmes Eames Library Chair stammen vom Biennale-Teilnehmer Burkhard von Harder, der hierzulande – anders als beispielweise in Asien oder in den USA – komplett unbekannt ist. Komplett zu Unrecht, denn Burkhard von Harder macht, neben großartigen Fotos, ganz großartige Projekte.*
*vielleicht machen wir das mal zum Thema eines Mehrfach-Hausbesuchs in Leipzig:
Burkhard von Harder hat sein Atelier nämlich unweit vom Atelier von
Jochen Plogsties aus Türchen #7 in der dortigen Bauwollspinnerei.
Die in zwei Hallenbädern in Hamburg entstandenen Fotos stammen aus Burkhard von Harders früher, wir glauben: zwölf-teiliger Serie „Swimmers“ (1984/1985), die komplett im Hallenbad eines Milliardärs in Wisconsin hängen soll. Darüber hinaus gibt es nur noch diese beiden Abzüge – jeweils zehn waren insgesamt geplant.
Burkhard von Hader selbst hat die Serie im E-Mail-Gespräch mit uns vor Kurzem irgendwo „zwischen Thomas Ruff (Anonymisierung) und Gregory Crewdson (tableauxhafte Psychologisierung)“ verortet: Wobei er großen Wert darauf legte, dass er damals, als die „Schwimmers“ entstanden, von beiden Foto-Künstlern noch nichts wusste.

Foto oben: Burkhard von Harders „Junge (Bartholomäusbad Hamburg)“ (1984)
stand lange in der Bloehmeschen Zweit-Bibliothek auf Husum.
Glauben wir ihm aufs Wort.
„Der Junge ist auch so eine Art Selbstporträt.“
Burkhard von Harder
Ein deutsch-deutsches Projekt
Wir finden schön, das Burkhard von Harder seine „Swimmers“ gesamtdeutsch konzipiert hat: Ein Teil der ursprünglich auf 60 Porträts angelegten Reihe sollte in der DDR entstehen; eine ostdeutsche Lektorin wollte vermitteln.
„Aber ich merkte, dass ich die Bilder, die ich machen wollte, bereits gemacht hatte“, hat uns Burkhard von Harder verraten: Weil „der Schlüssel“ zu seinem Bildermachen „nicht in einem dokumentarischen Außen“ läge, „sondern eher im Abgleichen mit inneren Bildern, deren Anzahl jeweils begrenzt ist. Dies als kurze Erklärung zu meinem Arbeitsstil“.
Finden wir einleuchtend & gut.

Adoleszenz und Reife
Als Duo passen die beiden Geschwommen-Habenden jedenfalls zum Thema „Werden & Vergehen“ ganz fulminant: weil sie in Personalunion zwei wichtige Lebensalter, Adoleszenz und Reife, überspannen. Das ist die biologisch-ikonologische Komponente. Philosophisch ist es aber auch ein alter Schnack, dass man vom Dreimeterbrett niemals in dasselbe Hallenbadewasser springt. Und auch die – hier sichtbaren – Wassertropfen aus der Nach-Schwimm-Dusche (?) immer andere Wassertropfen sind.
Dass der Junge im Hamburger Schwimmbad vor einer durch Zufall entstandenen bröckelnden Karte Europas steht, macht das Foto in unseren Augen hochaktuell. Und die Dame mit der hochtoupierten Schwimmhaube nennt der Gastro-Sammler inzwischen liebevoll „meine Nofretete“. (12.12.2025)
Anmerkung: Das mit dem gescheiterten gesamtdeutschen Projekt von „Swimmers“ hat Burkhard von Harder später mit „Narbe I+II“ (2009-2014) über den Verlauf der verschwundenen Berliner Mauer realisiert – ein Negativ zur „Vermessenen Mauer“ (1984) von Philipp Bösel und Burkhard Maus, von dem wir ja andernorts schon erzählten. Aber das nur so am Rande.


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