Schönheits-OPs (2): Das Kölner Kolumba
Alle Naslang verändern die Ständigen Sammlungen der Museen ihr Gesicht. Die KunstArztPraxis porträtiert und bewertet die ästhetischen Eingriffe in loser Folge. Heute dreht sich alles um das Kölner Kolumba, das Schönheit und Körperliches wieder besonders eindrucksvoll inszeniert.
Das Kolumba macht es den Schönheitsexperten von der KunstArztPraxis besonders schwer. Denn eigentlich kann das Museum gar nicht schöner werden. Weil es ja schon von ewiger Schönheit ist! Denn Peter Zumthor hat das Kunstmuseum des Erzbistums Köln mit einer makellosen Außenhaut ummantelt. Aber uns geht es ja ohnehin um die inneren Werte.
Warum also reingehen? Hier unsere Wertung nach den für Schönheits-OPs im Kunstbereich gängigen Kriterien:
Lifting: Gegenüber früheren Jahresschauen macht das neue Gesicht des Kolumba einen noch konzentrierteren, eleganteren und dynamischeren Gesamteindruck. Das rührt daher, dass diesmal Choreografie, Verwandlung und – teils akustische – Bewegung die zentralen Momente der Inszenierung sind (Richard Tuttle, Duane Michals, Bernhard Leitner). Bei aller Körperlichkeit kommt Physiognomie aber nicht zu kurz (Büro für Augen, Nase, Zunge, Hand, Herz und Maske).
Bekanntlich war Gott der erste plastische Chirurg. Im Kolumba spielt der Dualismus von ansehnlicher Harmonie (gut) und abstoßender Hässlichkeit (böse) deshalb eine wichtige Rolle. Moralisch aufgespritzte Exponate zur „gewissen und wahrhaften Länge unseres lieben Herrn Jesus“ (1700) und zum perfekten, eigentlich mit Kunst nicht abbildbaren Antlitz Christi („Schweißtuch der Veronika“, um 1500) zeugen davon.
Ebenso wie Simon Trogers „Hl. Michael“ (vor 1725). Hier ist der Teufel, politisch völlig inkorrekt, schwarz und divers. Skandal.
Das Jahresmotto „Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir“ stammt übrigens von der Schweizer Künstlerin Hannah Villinger, die ihre Polaroidvergrößerungen als zweite Haut ihrer selbst begreift. Und Kunst als eine Art Operation am eigenen Körper. Muss uns aus gegebenem Anlass gefallen.
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Vergrößerungen / Verkleinerungen: Das Kolumba hat sich nicht mit Neuerwerbungen vergrößert. Dafür zeigt es erstmals Leihgaben von Esther Kläs. Ihre Zeichnungen und Skulpturen setzen sich mit den Körper-Negativen des Bildhauers Heinz Breloh auseinander, zu dessen 80. Geburtstag sich das Kolumba dem Gesamtwerk widmet. Brelohs Skulpturen überwuchern Böden und Wände und dehnen so die Räume.
Plastische Modellierung: Der neuen Jahresausstellung konnte man beim plastischen Modellieren buchstäblich zusehen. Denn ihre acht Kapiteln wurden während einer öffentlichen Aufbauphase ständig ergänzt. Jetzt ist alles da. Und schafft im Zusammenspiel mit Zumthors Proportionen und einer schönen Lichtregie zauberhafte visuelle Bezüge. Dabei besticht wie immer die Korrespondenz zwischen Alt und Jung. Falten inklusive.
Implantate: Auf Implantate in Form von integrierten Sonderausstellungen wurde diesmal komplett verzichtet. Das eigentliche Implantat – die Retrospektive Heinz Brelohs – hat sich in der Gesamtschau komplett aufgelöst.
Narben / Einschnitte: Eigentlich sind Narben ja nichts als die beredten Spuren einer einschneidenden Vergangenheit. Im Kolumba haben sie ohnehin die Form goldener Wegmarkierungen am Boden. Hier zeugen sie von Tanzperformances, die die Choreographin Anne Teresa De Keersmaeker mit ihrer Compagnie vor dem Neuaufbau der Jahresausstellung mehrmals täglich im fast leeren Kolumba aufgeführt hat.
Man sollte also auch da beim nächsten Museumsbesuch genau hinschauen. Sobald das wieder geht.
gez. KunstArztPraxis (08.04.2021)
Anmerkung: Das Kolumba hat sich aus nachvollziehbaren Gründen dazu entschlossen, beim musealen Hü (Öffnungen) und Hott (Schließungen) in Coronazeiten auszusteigen und das Haus bis auf Weiteres geschlossen zu halten. Anschließend soll „Das kleine Spiel zwischen de Ich und dem Mir“ bis zum 16. August 2022 zu sehen sein. Danach bekommt die Jahresausstellung ihr nächstes neues Gesicht.
Schönheits-OPs (1): das Kunstmuseum Bonn (KunstArztPraxis)
Homepage des Kolumba Köln
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