Advents-Kalender-Türchen #10: Mary Bauermeister
Für einen befreundeten Gastroenterologen haben wir über Jahre eine Sammlung zu „Werden & Vergehen“ aufgebaut und jetzt in seiner Bibliothek eine Kabinett-Ausstellung dazu kuratiert. Im KAP-Advents-Kalender präsentieren wir der interessierten Öffentlichkeit Highlights. Türchen #10: Mary Bauermeister.

Auf Mary Bauermeister – und auf uns! – stieß Gastro-Sammler Bloehme durch unser „Hexenbuch“ (O-Ton Mary Bauermeister) von Mary Bauermeisters Haus & Garten. Danach wollte er unbedingt einen Linsenkasten von Mary Bauermeister haben, er war – so sind sie, die Sammler! – wie besessen davon. Mit dieser Besessenheit hat unsere Zusammenarbeit begonnen.
Wir sprachen bei Mary Bauermeister vor. Aber alle verfügbaren Linsenkästen lagerten bei ihrer Galerie in New York – ohnehin: Exklusiv-Vertrag! Tatsächlich hätten wir auch einen zurückverschiffen lassen, für Gastroenterologen spielt Geld ja keine Rolle; aber dann sagte Mary Bauermeister plötzlich verschwörerisch* zu uns am Küchentisch: „Dann mache ich ihm einfach einen neuen.“
*verschwörerisch, weil, pssst: Exklusiv-Vertrag!

Für den angedachten Gastro-Sammler-Linsenkasten hatte Mary Bauermeister dann irgendwann auch ein Konzept parat, wir haben aber leider alle Drei vergessen welches. Vermutlich hatte es mit dem Heiligen Erasmus von Antiochia zu tun, dem Schutzpatron von Magen, Darm und Leber. Aber beschwören können wir das nicht.

Aber dann kamen zwei, drei große Ausstellungen in Deutschland, der New Yorker Galerist hatte ihr wegen Schulden gekündigt, sie musste wieder ihre gefragten Linsenkästen machen zum Überleben. Der Lungen-Krebs wucherte weiter, Sammler Bloehme geriet verständlicher Weise ins Hintertreffen.
Da sagte Mary Bauermeister irgendwann zu uns: „Hier habe ich einen letzten von zwölf Kästen, den habe ich gerade erst gemacht. Ihr könnt natürlich warten, ob ich Bloehmes noch schaffe, bevor ich die Dimensionen wechsle, aber diesen hier hättet Ihr schon mal sicher!“
Da haben wir den Linsenkasten für die Sammlung angekauft. Und kurz darauf kam Mary Bauermeister ins Hospiz.
Foto oben: Unsere erklärte Lieblingshängung in der Sammlung Bloehme,
mit einem (Bloehme gewidmeten) Wabenbild Mary Baumeisters
aus den 1960ern, Hamm 2025
„Jetzt mache ich mich bald vom Acker“, steht dem entsprechend im Kasten-Rahmen. Vor sind – neben einer nie ausformulierten Skizze – von Mary Bauermeister benutzte Stifte, Farbtuben und Pinsel an die Rückwand geklebt:
Eine sehr ironische, originelle Art, wie wir finden, das endgültige Schwinden aller Schaffenskräfte, also Vergehen seiner- oder ihrerseits thematisch in Kunst, vulgo: Werden zu verwandeln.
Der Linsenkasten ist also ein Memento Mori – oder, wie die Künstlerin selbst sagen würde: ihr Momento Mary. Und: Es ist tatsächlich der allerletzte Linsenkasten, den Mary Bauermeister, zumindest auf der Erde, gemacht hat. (10.12.2025)

Foto oben: Mary Bauermeister, „Linsenkasten“ (2022, Detail),
Sammlung Bloehme, Hamm 2025


Und wer sich noch getraut, in die USA einzureisen: In Mary Bauermeisters Wieder-Galerie Michael Rosenfeld in New York läuft noch bis zum 31. Januar 2026 „Mary Bauermeister: St.one-d“. Wir waren netterweise vom Galeristen eingeladen, dort in einer eigenen Veranstaltung unser Bauermeister-Buch vorzustellen. Aber wir dürfen ja wegen unamerikanischen Umtrieben nicht mehr rein in die USA.
Mary Bauermeister in der KunstArztPraxis:
Begräbnis mit Feldsalat. Zum Tod von Mary Bauermeister
Ebenen gewechselt. Zum Tod von Mary Bauermeister (Opfer der Unsichtbarkeits-Maschine)
Mary Bauermeister: Die Auferstehung von Oberagger (Opfer der Unsichtbarkeits-Maschine)
Mary Bauermeister: Abschied vom Märchenreich (Opfer der Unsichtbarkeits-Maschine)
Im Märchenreich: Zu Gast bei Mary Bauermeister (Opfer der Unsichtbarkeits-Maschine)


Toll. Danke für den Adventskalender! Macht weiter so. Andras
1000 Dank für Euren wundervollen Advents-Kalender! Besonders für dieses Türchen über Mary Bauermeister, die nach Ihrem Tod ja hierzulande schon jetzt in Vergessenheit zu geraten droht. Berit
Antwort KunstArztPraxis: Danke, liebe Berit Winkler! Was hierzulande (vielleicht) gilt, gilt nicht in den USA: Da hat Mary Bauermeister zur Zeit eine große Ausstellung mit Steinarbeiten in ihrer New Yorker Galerie (siehe oben). Nur, falls Sie hinzufahren gedenken. Wir dürfen ja nicht. Bleiben Sie uns gewogen, Ihre KunstArztPraxis