Gut eingelaufen: „The Schuh Show“ in Köln
Man muss sich ja auch in der Kunst nicht jeden Schuh anziehen, aber die von Ruth Marten aus New York co-kuratierte „Schuh Show“ in der Kölner Galerie van der Grinten legen wir Jedem hiermit trotzdem stante pede ans Herz! Auch Piraten, Gärtnern, Tätowierern – und dem Teufel.
Vielleicht trägt der Teufel ja wirklich Prada. Auf jeden Fall braucht er orthopädische Schuhe mit gespaltener Zunge! Dieser Gedanke jedenfalls kam uns beim Betrachten von Alexander Gorlitzkis „Rift Shoes“ in der Kölner Galerie van der Grinten ebenso spontan wie zwingend in den Sinn. Einziger Pferdefuß: Ist der Teufel wirklich Paarhufer – und, wenn ja: warum um Himmels Willen beidbeinig?
Egal. In der „Schuh Show“ dürfen die Phantasmen sprießen. Hier sind Schuhe Fregatten, die uns mit wehenden Fahnen à la Belle-Poule zu Piraten-Abenteuern schiffen. Sie sind Gewächshäuser zur Aufzucht königlicher Palmen. Sie stehen an klaffenden Abgründen, die eigentlich Zebrastreifen sind. Und retifistische Kraken ziehen sie als Beute sogar zum Meeresgrund.
Andernorts gehen Schuhe in Rauch auf, können (wie Lieder) eine Brücke sein, gebärden sich aber auch untragbar. Und wer keine Exemplare zur Hand hat, um gut zu Fuß zu sein, kann ja in Pumps aus High-Heel-Sesseln schlüpfen (rät zumindest der US-Künstler Robert Fontanelli).
Oder man trägt gleich die weichen Samtballerinas von Ruth Marten? Dann wachsen den Fersen plötzlich Fuchs- oder Eichhörnchen-Schwänze wie in der Kunstgeschichte sonst nur Bierhumpen. Auch so wird aus surrealistischer Perspektive ein Schuh draus.
Tatoo-Surrealismus
Überhaupt ist in Köln sehr viel von Ruth Marten zu sehen, die die „The Schuh Show“ co-kuratiert hat. In letzterer Funktion hat die Künstlerin, deren grandiose Retrospektive im Brühler Max Ernst-Museum 2018 wir gemeinsam mit ihrer Kölner Soloshow 2021 an anderer Stelle bereits gewürdigt haben, der Galerie zahlreiche Werke ihrer US-Künstlerfreund*innen zugeschustert.
Die gilt es hierzulande noch zu entdecken. Zum Beispiel die junge – und in ihrer Heimat offenbar ziemlich angesagte – Tattoo-Künstlerin Mary Joy Scott aus San Francisco: ein Bogen auch zu Martens eigener Vergangenheit im New Yorker Untergrund der 1970er Jahre, als Tätowieren noch polizeilich verboten war.
Das alles ist ziemlich spektakulär und teils auch dialogisch gespreizt wie beim Spagat: Bisweilen ergeben die Schuhe unterschiedlicher Künstler von Wand zu Wand ein Paar.
Manchmal kommt die Show aber auch auf leisen Sohlen doppelbödig daher. So bei den großartigen Zeichnungen des neusachlichen Künstlers Rudolf Schlichter: Da sieht man zwei Hosenbeine, die à la mode in Gamaschen der 1920er Jahre münden. Und durch ein paar unscheinbar schattierende Bleistiftkritzeleien darunter entsteht der räumliche Eindruck, dass sich ihr durchs Schuhwerk als modisch, wohlhabend & sozial eingebunden klassifizierter Besitzer erhängt hat.
Mehr als kommerzielles Schuhgeschäft!
Natürlich soll & muss sich das Ehepaar van der Grinten auch in Zukunft neue Schuhe leisten können. Wir wären die Letzten, die ihm das nicht gönnten! Trotzdem empfehlen wir die „The Schuh Show“ nicht als kommerzielles Schuhgeschäft, sondern vor allem als klug kuratierte Ausstellung.
Ohnehin gibt es unter den 60 Werken von 37 Künstler*innen auch viel Schuhwerk aus Privatsammlungen zu sehen, das man gar nicht käuflich erwerben kann.
Auf jeden Fall gilt, die Ausstellung komplett anzuprobieren. Beim Anschauen drücken nicht mal Exponate, die noch nicht eingelaufen oder ausgetreten sind. Schuster können also gern bei ihren Leisten bleiben. Aber Kunstfreunde sollten in die Galerie.
Also, als guter Vorsatz fürs neue Jahr: gestiefelt und gespornt in die (und zu den) Puschen kommen! Nach der Winterpause der Galerie sind hierfür noch vier Wochen Zeit. (19.12.2022)
„The Schuh Show“ ist noch vom 11. Januar bis zum 11. Februar 2023 in der Galerie van der Grinten in Köln zu sehen.
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