Woher kennen Sie Erwin Hapke, Mr. Brainwash?
Im Mr. Brainwash Art Museum in Kalifornien stehen Origami-Figuren aus Blech, die uns frappant an Faltungen von Erwin Hapke erinnern. Wie kam Hapkes Idee nach Amerika? Warum schweigt Mr. Brainwash? Und was unterscheidet gute Kunst von schlechter? Eine Suche nach Wahrheit – ausgerechnet in Epigonalien & Trumpikistan.
Es gab einmal eine Zeit, da war Erwin Hapke für die Warhol’schen 15 Minuten weltberühmt. Das ist gefühlt erst eine Viertelstunde her. Und wir waren nicht ganz schuldlos daran.
Unsere erste Fotostrecke über Erwin Hapkes Haus, die kurz nach seinem Tod 2016 entstand, klickte sich in den ersten vier Tagen rund fünf Millionen Mal, nach einer Woche waren es schon sieben.
Sie ging, wie später auch unsere Grimme-nominierte Multimedia-Reportage oder ein späterer WDR-Podcast mit KunstArztPraxis-Beteiligung, auf Social Media, wie man heute so unbeschwert ohne das lästige Wissen über Wort-Herkünfte sagt, viral.* Und das in der ganzen Welt.
*von lateinisch virus: Gift, Schleim


In den USA zum Beispiel übersetzte ein Nerd sie ins Englische, mehrere Kunst-Blogs in den Staaten übernahmen.
Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass der französischstämmige Street-Artler Thierry Guetta (*1966) alias Mr. Brainwash im Sonnenstaat Kalifornien über unsere emsigen Multiplikatoren von Erwin Hapke Wind bekam. Vor allem von denen aus Blech.
Beverly Hills, 08/15
Die Idee, Papierfiguren in Metall zu falten & poppig zu lackieren, trauen wir dem Sprayer jedenfalls aus Gründen – siehe weiter unten – nicht wirklich zu.
Bild oben: Sein Name ist Hase, er weiß von nichts? Blech-Origami-Häschen
vor dem Mr. Brainwash Art Museum, Beverly Hills 2024
Bis auf den Hang zur Blechfaltung ist Mr. Brainwash so ziemlich genau das Gegenteil von Erwin Hapke. Mr. Brainwash ist nämlich eine Publicity-Maschine. Er ist geschäftstüchtig. Er ist erfolgsverliebt. Er ist tatsächlich, auch in Deutschland, siehe Auktionen, gut im Geschäft: vielleicht auch, weil sich hartnäckig das Gerücht hält, er könnte Banksy sein.
Mr. Brainwash hat 2022 ein Museum bekommen – was sich Erwin Hapke in seinem Elternhaus vergeblich gewünscht hat. Natürlich, publikumsscheu wie er war, erst nach seinem Tod.
„Art is decoration“
In Beverly Hills jedenfalls steht das unfassbar gut besuchte Mr. Brainwash Art Museum. Unter dem Motto „Life is beautiful“ hat es sein Besitzer mit Kopien berühmter Werke der Kunstgeschichte vollgestopft, die von ihm per Sprüh- und Pinselstrich leicht modifiziert worden sind. Und eben Figuren aus Blech.
In dieses von uns jetzt einfach mal „Epigonien“ genannte Reich steigt Mr. Brainwash immer wieder mal hinab, um sich mit den Smartphones seiner Fans für die Vergessenheit ablichten zu lassen.
Das haben wir mehrfach gesehen.
Überhaupt ist die Weltkunst im Mr. Brainwash Art Museum eine zur Deko-Staffage degradierende Tapete für die Selfies einer visuell gebrainwashten Gesellschaft, die die Pop-Art-Schraube endgültig bis zum kommerziellen Anschlag ins desensibilisierte Fleisch des Mainstreams gedreht hat.
Oder, mit den Worten von Mr. Brainwash: „Oil Painting for Dummies“*. Metal Folding wohl auch.

*Foto oben: „Oil Painting für Dummies“. englisch für: Ölmalerei für Puppen, für Attrappen,
für Dummerchen. Mr. Brainwash Art Museum, Beverly Hills 2024


Da sitzt zum Beispiel Munchs „Schrei“ in einem E-Auto, Batman geht in Picasso, Hitchcock in Bacon über.
Eine Batterie kopierter Mona Lisas trägt aus welchem Grund auch immer zugefügte Accessoires wie Laserschwerter, Corona-Masken, Mickymausohren-Mützen oder – im Jahr 106 a.D.* besonders originell – einen Schnurrbart.
*after Duchamp
Warhols Campbell’s Sprühdose
Und überall stehen Warhols Tomaten-Suppen-Dosen herum, die nun aber überdimensionale Sprühflaschen sind.
The Turn of the Screw.
Bild oben: Vier von Mr. Brainwash zusammengedampfte Große ihres Fachs
im Mr Brainwash Art Museum. Da ist für Jede*n was dabei.

Ein Sportwagen macht aus einem Mondrian eine Tiefgarage. Über Raffaels gelangweilten Putten fährt nicht Maria, sondern eine Space Shuttle gen Himmel. Und Rodins Denker sitzt auf dem Geländer und überlegt wohl, ob er sich angesichts des ganzen Kitsches nicht doch lieber in die Tiefe stürzen soll.
Der Schlaf des Genies gebiert Kalendersprüche
Ach ja: An der Wand von van Goghs – bei Mr. Brainwash begehbarem – „Schlafzimmer in Arles“ (1888) – sogar diese immersive Variante kennt man zur Genüge von Show-Spektakeln wie „Van Gogh Alive“ – steht allen Ernstes: „Follow Your Dreams“.
Life ist halt beautiful.

So kalauert sich Mr. Brainwash klauend & bagatellisierend durch die Kunstgeschichte: Ohnehin ist sein Art Museum im Grunde nur ein Köder, um all die blinden Bilder-Zombies in den museumseigenen Fast-Art-Supermarkt zu locken.
Banksys Film „Exit Through the Gift Shop“ (2010) mit Mr. Brainwash als Hauptdarsteller sprach da schon im Titel Bände.

Und dazwischen eben, wie Fremdkörper, Metall-Origami im Erwin Hapke style. Vor diesen erstaunlich bescheidenen Figuren haben wir in der ganzen Zeit niemanden posen sehen.
30 Mails in zehn Monaten
Wir hätten Mr. Brainwash natürlich gerne selbst befragt: Wie kam die Idee zu Blech statt Papier in Ihren Kopf? Haben Sie von Erwin Hapke oder jemand anderem abgekupfert? Es könnte ja auch ganz anders sein als wir vermuten! Denn IHRE Metall-Origamis sind ja im Gegensatz zu denen Erwin Hapkes eher läpsch.
Zur Klärung dieser Fragen haben wir in den letzten zehn Monaten rund 30 Mails an Mr. Brainwasch verschickt, am Ende eher so ein bisschen schmunzelnd aus Trotz. Aber der sonst so hyperkommunikative Herr Hirnwasch blieb stumm wie ein metallen schimmernder Silber-Fisch aus Kaugummipapier.
Wir werten das als Schuldgeständnis. Und sind uns sicher, dass Mr. Brainwashs Team bei Kaufinteresse für den Origami-Hasen draußen vor der Museums-Türe asap gesprächiger gewesen wäre.

„Thanks for contacting us! We will geht in touch with you shortly.“
Team Mr. Brainwash, 2024-2025
Man kann es sich mit sehr viel Shochu oder Sake natürlich beim Papierfalten auch schön trinken, wenn man will: Über Bande – also über diese Plagiate – hat es Erwin Hapke, wenn auch anonym, ja doch noch irgendwie ins Museum geschafft.
Und war das nicht 35 Jahre seines Lebens sein sehnlichster Wunsch?
Vom Influencer für Influencer
Aber leider ist Mr. Brainwashs aus Kalauern errichtetes Epigonien ein Museum vom Influencer für Influencer, die sich sowieso stumpf von einem Bild zum nächsten wischen.
Und eben vor den Blech-Faltungen am wenigsten stehen bleiben. Die stammen nämlich aus einer anderen Epoche. Von einem Künstler ohne Sonnenbrille, der noch sehen konnte.

Bild oben: Wischen possible: „Life is beautiful“,
Mr. Brainwash Art Museum, Beverly Hills 2024.
Wir sind uns ziemlich sicher: Auch über Mr. Brainwash wird die Kunstgeschichte in 15 Minuten hinweggegangen sein, wie über Erwin Hapke. Aber über Mr. Brainwash, anders als über Erwin Hapke, zu Recht. (17.08.2025)

„Auf welche Art wird man mittelmäßig? Dadurch, daß man heute das und morgen jenes so dreht und wendet, wie die Welt es haben will, daß man der Welt nur ja nicht widerspricht und nur der allgemeinen Meinung beipflichtet.“
Vincent van Gogh Über Mr. Brainwash
„Weißt Du denn, wie hochnötig es ist, dass der Kunst ehrliche Leute erhalten bleiben? Fast niemand weiß, dass das Geheimnis guter Arbeit zum großen Teil Redlichkeit und ehrliches Gefühl ist.“
Vincent van Gogh über Erwin Hapke

Ach ja: Wir haben ein Buch über das Falt-Haus Erwin Hapkes gemacht! Kostenpunkt: 38 Euro.
Viel Geld, das stimmt. Aber für eine einmalige Sache.
Beim Kettler-Verlag ist das Buch schon lange ausverkauft. Wer trotzdem noch ein Exemplar ergattern möchte, der erwerbe es sehr gerne per Online-Bestellung über diesen Link.
Bitteschön. Dankeschön. Ihre KunstArztPraxis,
Erwin Hapke in der KunstArztPraxis:
360°-Rekonstruktion: Ein neues Haus für Erwin Hapke
Exklusiv, als Vorabdruck: „Honig“ aus „Hapke“
Erwin Hapke: Welten falten
Erwin Hapke: Das Ende eines Gesamtkunstwerks
Endlich im Licht! Hapke & Henschel in Kevelaer
Betriebsausflüge 2: „Geordnete Verhältnisse“
Exklusiv: Erwin Hapke, Welten-Falter – ungefaltet!
Street Art in der KunstArztPraxis:
Harald Naegeli in Köln: Ein Tod verschwindet weiter
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