Sommerloch-Porträts 2: Pierre Huyghes Hund
Sie rufen außerhalb unserer Sprechzeiten an: Die KunstArztPraxis ist in Urlaub. Deshalb als Überbrückungsmusik eine Mini-Serie mit Lieblingsporträts nebst ihrer Geschichte vom AB. Den Mittelteil füllt Pierre Huyghes Hund Human, dessen nonchalante Präsenz uns sogar mit seinem Herrchen versöhnte.
Als wir Human 2014 im Museum Ludwig kennenlernten, war sein Herrchen gerade explodiert. Die Druckwelle spülte eine recht aufgescheuchte Kuratorin in den Raum, die uns aus der im Aufbau befindlichen Ausstellung herauskomplimentierte: „Tut mir leid, wir müssen raus.“ Der hoch sensible Meister – „Er ist Perfektionist“ – sei not amused über die Anwesenheit der Presse bei der Pressekonferenz. Fotos sowieso verboten.
Folgsam verließen wir das Theater. In einem lieblos dekorierten Aquarium dümpelten traurig eine Handvoll Fische. Irgendwo versteckte sich ein melancholischer Einsiedlerkrebs dem Vernehmen nach in einem goldenen Kopf von Brancusi.
Ameisen und Algen, Pfaue, Bienen und Bakterien: Für uns hatte Pierre Huyghe immer das Zeug zu einer Art Heiligem Franziskus des Kunstmarkts gehabt. Jetzt ließ er uns aus seinem unfertigen Tempel werfen wie ein gottloser Heiland.
Von schwebender Freundlichkeit
Dann betrat Human im Erdgeschoss die Bühne, und die Stimmung wurde wieder menschlich. Wie auf der Kasseler documenta 13 zwei Jahren früher war der spanische Podenco mit dem pinkfarbenen Vorderlauf auch hier der eigentliche Star. Und er verkraftete den damit verbundenen Rummel offenbar unweit besser als sein Herrchen.
Leichtfüßig durchschritt Human die heiligen Hallen, betrachtete wohlwollend die anderen Werke, grüßte mit kaum wahrnehmbaren Nicken die Anwesenden freundlich, mäanderte mal hierhin, mal dorthin, und als er mit elegantem Schwung zur Treppe schwebte, war es uns, als drehte er den Kopf leicht zu uns um und lüde uns mit sanftem Wedeln beiläufig ein, ihm zu folgen.
So gelangten wir in einen kleinen Dachgarten im ersten Stock, wo Huyghe Caspar David Friedrichs „Eismeer“ nachgebaut zu haben schien. Dort präsentierte uns Human unter den Augen einer nur mit einem Bienenschwarm um den Kopf bekleideten Dame aus Beton gnädig und etwas entrückt nach einer leichten Drehung des Vorderkörpers sein lila bemaltes Bein.
Heiliger Franziskus geht anders
Es gibt viele Porträts von Human, dem eigentlichen Gott des Huygheschen Universums. Aber für mindestens zwei unter uns ist unser zweites Sommerloch-Lieblinggsporträt eines der schönsten.
Später haben wir übrigens erfahren, dass Pierre Huyghe gar nicht Humans Herrchen ist. Durch die Bemalung mit pinker Lebensmittelfarbe hatte er den Hund nur für die Dauer der documenta 13 und nachher für die Kölner Ausstellung als sein Kunstrevier markiert. Heiliger Franziskus geht echt anders.
Am liebsten würden wir jetzt explodieren. Aber dieses Privileg bleibt natürlich Pierre Huyghe vorbehalten. (31.08.2025 / 31.07.2023 / 26.07.2021)
Sommerloch-Porträts (1): Tim Burtons Hand
Tiere in der KunstArztPraxis:
Betriebsausflüge (1): „Kunst für Tiere“ in Rüsselsheim
Wie man dem toten Hasen Joseph Beuys erklärt
„Surreale Tierwesen“ in Brühl: Zoo mit Zerberbus
Das Wir im Tier: „Lovely Creatures“ in Aachen
Stella Hamberg: Kraft und Sinnlichkeit
Peep-Show mit Tieren: Bertram Jesdinsky in Neuss (gefressen von der Unsichtbarkeits-Maschine)

prima erfrischend, wie immer.
Danke!