Hirn-Kasten Kunst-Halle. „Wohin?“ in Düsseldorf
Im Januar 2026 macht die Kunsthalle Düsseldorf wegen nötiger Umbauten für drei Jahre dicht: ein guter Moment, um in der letzten Schau vor der Sanierung einmal über die Zukunft nachzudenken. Die eigene Zukunft, die des Grabbeplatzes vis-à-vis. Aber auch darüber, wohin die Reise beim Bauen, für Städte & Gesellschaft gehen soll.
Neulich redeten wir mit einer befreundeten Lehrerin über die Kunsthalle Düsseldorf, und im Zuge dessen schüttelte diese die Erinnerung an eine viele Jahre zurückliegende Unterhaltung mit dem damaligen Leiter Gregor Jansen* aus dem Ärmel, der sie damals „oberlehrerhaft“ getadelt habe.
*alles Gute für die Zukunft, lieber Gregor Jansen!
Sie habe Gregor Jansen auf einer Vernissage in Köln gefragt, was es denn gerade in seinem Museum zu sehen gäbe. Und Gregor Jansen habe doch tatsächlich erwidert, dass die Kunsthalle Düsseldorf kein Museum, sondern eine Kunsthalle sei! Darüber ärgere sie sich heute noch.
Eine Kunsthalle IST kein Museum!
Deshalb hier auch nochmal oberlehrerhaft von uns, zum Mitschreiben & mit schönen Grüßen, weil es uns wichtig scheint: Du musst jetzt stark sein, liebe Marion, denn Gregor Jansen hatte recht! Eine Kunsthalle ist tatsächlich kein Museum. Zumindest keines im klassischen Sinn. Denn eine Kunsthalle besitzt keine eigene Sammlung. Sie ist die pure, infrastrukturelle Hülle.
HALLE halt. Und im Fall von Düsseldorf auch innen architektonisch ganz wunderbar.

Wenn man es anatomisch betrachtet, dann ist die Kunsthalle eine Art depotloser Hirn-Kasten, der sich mit materialisierten Ideen füllen lässt.
Immer-wieder-neu-Erfinden leider abgelutscht
Das hat den entscheidenden Nachteil, dass man bei jeder Ausstellung bei Null anfangen & immer wieder komplett neu denken muss. Und den entscheidenden Vorteil, dass man bei Null anfangen & immer wieder komplett neu denken darf.
Wenn der Satz vom Immer-wieder-neu-Erfinden nicht so abgelutscht wäre, dann hätten wir ihn jetzt benutzt.
Aber egal. Mit „Wohin?“ jedenfalls hat die Kunsthalle Düsseldorf abermals bei Null angefangen & mit einem Thema wieder neu gedacht, das unter anderem auch sie selbst betrifft – und den Grabbeplatz, der statt einer menschen- und taubenfeindlichen Vorhölle – im Sommer manchmal 50 Grad! – ja ihr sozial blühender Vorgarten sein könnte.
Schließlich muss sich der wundervoll monolithische Beton-Bau von 1967, der auch den Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen beherbergt, im Januar 2026 schließen, um sich zum Beispiel energetisch neu aufzustellen und behindertengerechter zu werden.
Momentan zum Beispiel bleibt Rollstuhlfahrer*innen nur der Lastenaufzug auf der schalen Seite.

Foto oben: Manches Exponat von „Wohin“ wirkt etwas arte povera. Macht aber nichts:
Die Idee dahinter ist bestechend. Veronika Pfaffingers „Wiesenstück“ (2022) etwa
kann man gleichzeitig ökologisch & skulptural & kunsthistorisch einbetten!
Da kann man in der vom gesamten Kunsthallen-Team kuratorisch kollektiv entwickelten und mit viel Hirnschmalz von Künstler*innen, Architekt*innen, Stadtplaner*innen, Wissenschaftler*innen und Designer*innen befüllten Schau – den Namen des beteiligten „Zentrums für Peripherie“ von Ute Reeh finden wir am schönsten – ruhig auch einmal Ideen zur eigenen Zukunft sich materialisieren lassen.


Was ist das Ziel?
„Ziel ist es, die bestehende Struktur funktional und atmosphärisch weiterzuentwickeln und die Kunsthalle als offenen, interdisziplinären Kulturort zu stärken“, heißt es etwas jargonitisch im Begleittext.
Im Grunde ist „Wohin?“ schon einmal der imposante Versuch, dieses offene Grundkonzept in der alten funktionalen Atmosphäre umzusetzen.
Dazu gehört auch Transparenz. Deshalb legen die beiden beteiligten Architektur-Büros in Schubkästen ihre Pläne zur Sanierung offen. Und zeigen zum Teil auch, was die Kunsthalle in der Vergangenheit so ausgezeichnet hat.
Foto oben: Energetisch keine blendende Idee: Blatt mit dem Ofenrohr der 1981
von unserem Praxis-Paten Joseph Beuys realisierten Installation „Loch“ an der
Kunsthallen-Außenfassade in der Präsentation der Architekten
Und mit einem von Chatbot namens Antonio können sich die Besucher*innen dank künstlicher & künstlerischer Intelligenz (KI & KI) visionär an der Neugestaltung der Kunsthalle und des Grabbeplatzes beteiligen.
Wie geht’s?
Einfach den Fragen von Antonio folgen – und schon entsteht wie von Geisterhand auf dem Display ein – realisierbares, utopisches, dystopisches? – Bild der eigenen Vision.
Die Bilder fließen in eine digitale Sammlung ein, die in Düsseldorf übers Display läuft. Oder aber hier abgerufen werden kann.

Foto oben: Wohl eher utopisch: Die Kunsthalle als brutalistischer Lehmbau mit
McDonald’s-Elementen und Grabbeplatz-Zoo von Userin Bettina, Kunsthalle Düsseldorf, 2025


Überhaupt präsentiert sich die Kunsthalle Düsseldorf bei „Wohin?“ als überaus interaktiver Ideen-Speicher.
Es geht, natürlich, um Nachhaltigkeit, Ressourcen-Schonung, Wohnungsnot, Recycling, Mobilität und Raum-Erfahrung. Um Bauen mit Bäumen oder Pilzen. Um Städte, die Wasser wie Schwämme speichern können.
Und um eine repräsentative „Organismusdemokratie“ für Spezies wie Blumenwanze und Mahonien-Rost, Kompostwurm und Schmarotzer-Pustelpilz, Zerfließende Gallertträne und Rotschöpfige Sandbiene: Wesen, mit denen wir im Urbanen, voneinander oft unbemerkt, zusammenleben.

Foto oben: Club Real, „Organismendemokratie“ (2018, Detail),
Kunsthalle Düsseldorf, 2025
Im Grunde geht es also um die klug durchdachte Verschmelzung von Kunst, Idee, Funktion & möglichst artgerecht umbautem Leben.


Poesie trifft Wissenschaft
Und es geht – wie passend! – um Kunst, die für den Augenblick in der Natur verschwindet: Beim „Kapselkoffer“ der Künstlerin Sylvia Winkler und des Bureaus Baubotanik nämlich. In jeder Kapsel soll einmal ein Kunstwerk stecken, das nur der oder die Künstler*in gesehen hat.
Zum Konzept gehört, dass danach die Kapsel mit der Struktur eines Jungbaums beim Wachsen verwächst. Und wenn der Baum nach Jahrzehnten blühenden Lebens gefällt werden muss, dann wird die Kapsel geerntet und die Kunst darf erstmals Anderen sichtbar werden.
So etwas meinen wir, wenn wir hier in der KunstArztPraxis über die Poesie von Konzeptkunst schwadronieren.
Installationsaufbau des Bureaus für Baubotanik
(Detail für das Kapsel-Projekt), Kunsthalle Düsseldorf, 2025
Ach ja, liebe Marion, noch einmal deine Oberlehrer von der KunstArztPraxis! Wenn die Kunsthalle Düsseldorf nach „Wohin?“ 2026 dicht macht, dann hat sie nämlich ein Problem: Als Hirn-Kasten ist sie dann nicht nur per definitionem depot-, sondern auch pro re hüllenlos, sprich: unsichtbar!
Da ist es schwer, im Stadtraum & im kollektiven Gedächtnis haften zu bleiben.
Die „nomadisierende Kunsthalle“
Deshalb will sie sich nach ihrer Schließung in viele kleine Hirn-Kästen aufspalten und in den (hoffentlich nur) drei Jahren bis zur Wiedereröffnung in allen Düsseldorfer Stadtteilen – auf noch nicht öffentlich vorgestellte Art & Weise – präsent gewesen sein.
„Nomadisieren“ nennt die Kunsthalle Düsseldorf das – ein sehr schöner Gedanke, wie wir finden. Und wir sind schon sehr gespannt, wie geistreich er sich ab April 2026 wo auch immer materialisiert. (26.10.2025)
„Wohin? Kunsthalle / Stadt / Gesellschaft der Zukunft“ ist noch bis zum 1. Februar 2026 in der KunstHALLE Düsseldorf zu sehen. Wem es gefallen hat, dem empfehlen wir auch noch den Besuch von „We / Trans / Form. Zur Zukunft des Bauens“ (bis 25. Januar 2025) in der BundeskunstHALLE in Bonn. Dort steht Vera Meyers Pilz-Haus in prinzipiell begehbar.
Apendix: Wenn Trumps Hirn-Kasten Kunst-Halle wäre
Für all jene, die im Beitrag oben zu wenig „klassische“ Kunst abbekommen haben, hier einer unserer berühmten Wurmfortsätze, vulgo Appendizes:
Mal angenommen, der Hirn-Kasten Donald Trumps wäre nicht bis zur Decke vollgestopft mit genialen & friedensfördernden Ideen, sondern so leer wie eine Kunst-Halle zwischen zwei Schauen: Mit welchen zeitgenössischen Künstler*innen würde Trump sie zum Thema „In welcher USA wollen wir leben?“ wohl bespielen?
Zum Glück hatten wir Herrn Trump vor Kurzem auf der Couch, deshalb können wir hier exklusiv profunde Antwort geben.
Das bibelfeste Capitol
Die Wände von Trumps Hirn-Kasten sind natürlich vergoldet. In einer Ecke steht eine Kampfarena mit „Putin And Zelensky Wrestling, With Trump As A Spectator“ von Maurizio Cattelan von 2024 – also aus einer Zeit, in der Trump dort noch zusah, weil dieser russische Angriffskrieg Aussicht auf den Friedens-Nobelpreis versprach. In der anderen Ecke schräg gegenüber steht eine Kopie des Capitols im Maßstab 1:50.000, die Ai Weiwei 2022 aus rund 24.500 gestapelten Trump-Bibeln gebastelt hat.
Das Modell wird von zwölf „Trash People“ von HA Schult gestürmt.
Die überlebensgroße Trump-Büste mit dem Heiligenschein aus vergoldeter kanadischer Fichte in der Mitte des Raums hatte Jeff Koons bereits 2017 zur ersten Amtszeit des Präsidenten bei Herrgottschnitzern in Oberammergau in Auftrag gegeben. Die Schrumpfköpfe von Camilla Harris, Susan Monarez, Lisa Cook oder Erika McEntarfer des Künstler-Kollektivs „National Guard Proud Boys“ (NGPB) mit ihren zugenähten Mündern in der Vitrine daneben hingegen – welch‘ kecke Erweiterung des Skulptur-Begriffs! – sind brandneu.
Die roten Schirmmützen mit der Aufschrift „TRUMP WAS RIGHT ABOUT EVERYTHING“ sind ihnen natürlich viel zu groß! Man kann sie darunter kaum noch sehen, im Grunde würden drei von ihnen unter EINE Mütze passen – was im Negativ sehr schön illustriert, WIE groß Trump Hirnkasten tatsächlich ist.
Trumps Friedens-Nobelpreis
In einem kitschig vergoldeten Barock-Rahmen (ein Geschenk Kim Jong-uns) hinter einem vergoldeten Schreibtisch mit dem in Formaldehyd in die Tischplatte eingelegten Original der Unabhängigkeitserklärung der USA von Damien Hirst (ein Geschenk Viktor Orbáns) hängt übrigens Donald Trumps Friedens-Nobelpreis-Urkunde, die Danh Võ, von seinem Vater Phùng Võ sorgsam von Hand kopiert, seit 2019 an alle Autokraten dieser Erde schickt (Phùng Võ kommt kaum noch nach).
Und von der Decke baumelt in schwindelerregender Höhe ein poppiger Trump-Force-One-Papierflieger, den Mr. Brainwash aus allen seit Anfang 2025 unterschriebenen Dekreten des Präsidenten mit Hilfe von Tapetenkleister zusammengefaltet hat: ein dynamisches Kunstwerk, das stündlich anschwillt wie Bocksgesang – und spätestens zur dritten Amtszeit Trumps, beständig an Volumen gewinnend, am Boden landet (beziehungsweise durch die Decke geht).
Apropos „Boden“!
Apropos „Boden“: Der Boden von Donald Trumps Kunsthalle ist aus purem Gold – wir schwören! Es knirschte unter den Sohlen unserer Cowboy-Stiefel, als wir mit offenen Mündern und leeren Holstern in Gedanken staunend & ehrfürchtig darüber schritten.
Das Knirschen rührte daher, dass besagter Boden ein aufgeschütteter Teppich aus jenen unzähligen Goldmünzen war, die Donald Trump allein dank seiner Dekrete erwirtschaftet hatte, und es dauerte eine Weile, bis wir begriffen, warum Donald Trump besser Dagobert Trump heißen würde: Weil der ganze Körper unterhalb seines Kunst-Hallen-Hirn-Kastens randvoll mit Bitcoin-Talern angefüllt ist wie sonst nur der Geldspeicher von Entenhausen! Und alle Taler tragen Donald Trumps Konterfei.
Incredible, awesome, overwhelming!
Es war incredible, awesome, overwhelming! Und wenn wir es nicht mit eigenen Augen gesehen hätten, auf unserer Couch, im Hirn-Kasten unter Donald Trumps güldenem Haar, diese Kunst gewordene Zukunft der USA, dieser Spiegel im Kopf des Narziss: Wir könnten es bis heute nicht glauben.
„Willst du das Violoncello am Hirnkasten wissen?“
Friedrich Schiller, „Kabale und Liebe“ (1784)
Die Kunsthalle Düsseldorf in der KunstArztPraxis:
Das ist der rote Faden. Leila Hicks in Düsseldorf
Peter Piller schafft Ordnung (leider Opfer der Unsichtbarkeits-Maschine)
Romantik, post mortem – “Only Lovers Left”
Für uns von Putin eingeholt: “City Limits” in Düsseldorf (leider Opfer der Unsichtbarkeits-Maschine)
Alles fließt: “Journey Through A Body”
Reine Bildgebung (7): Polke & Co
Conrad Schnitzler: Der Mann mit dem Soundhelm
Gerhard Richter Retro: “Leben mit Pop” (2013)
Max Schulze: “Als Phantom war Polke immer da”
Wieder ein ganz toller Beitrag aus der KunstArztPraxis. Ich bin sehr froh, dass es euch gibt. Ihr seid einmalig. Danke, dass Ihr mir jeden Sonntag sowas schenkt! Ihre Lucie Köhrner
Antwort KunstArztPraxis: Wir haben zu danken! Und sind gerührt. Ihre KunstArztPraxis