„Liebes Chatbot, dichte mir“: KI für Kippenberger
Gestern (25.02.2023) haben wir noch höchstselbst gedichtet für Martin Kippenberger, am Tag nach dem 70. Geburtstag lasse wir Künstliche Intelligenzen walten, und zwar in Form von ChatGPT. Es ist ein lyrisches Experiment, wie es noch keins gegeben hat. Ein Poetry-Battle KAP vs. KI.
Wir sind uns sicher, dass Martin Kippenberger auch Roboter hätte malen lassen, wenn es denn damals schon Malroboter gegeben hätte. Und wenn er die KI-Software ChatGPT gehabt hätte, hätte er die wohl auch dichten lassen. Aber er hatte ja nichts. Nur Plakatemaler. Und heutzutage eben die KunstArztPraxis.
Deshalb wollen wir Kippenberger, aus der Zukunft kommend, auch seinen nie gehegten Wunsch erfüllen und als Nachklapp zu unserem eigenen Geburtstagsgeschenk von gestern auch die KI über seinen “Documenta-Wegweiser (Peter-Skulptur)” von 1987 pflügen lassen.
Hierzu hat Google Translate dem Chatbot unseren Dicht-Befehl ins Englische übersetzt, damit ChatGPT dichten konnte. Und am Ende hat Google Translate das ChatGPT-Gedicht gefühlvoll ins Deutsche transferiert.
Dankeschön, Google Translate! Dankeschön ChatGPT! Bitteschön Martin Kippenberger!
Zur Transparenz hier unser Dicht-Befehl (in der Google-Translate-Übersetzung):
Write us a poem with the words „Satchmo“, „Albert Oehlen“, „deprivation“, „skyscraper“, „why“, „depressed“, „minor“, „curl“, „shower“, „helper“, „handwriting“, „pardon“, „consolation“, „hooker“, „closures“, „shots“, „goosebumps“, „MSG“, „Kreuzberg“, „boathouse“, „chambre“, „ceiling“, „oriel“, „airing“, „Ernst Jiinger“, „panther“, „blood boy“, „cinnamon stick“, „Jovet“, „instinct studio“, „primer paint“, „Phillips screws“, „full service“, „traps“; „fish“, „perch“, „cod“, „matjes“, „cauliflower peter“, „amateur league“, „shot“, „nostrils“, „vachettes“, „upper lip“, „lady beard“, „blessed“, „home“, „body threshold“, „trill“, „alcove“, „foam“, „the yellow“, „respect“, „pollen“, „performs“.
Und hier das ChatGPT-Gedicht (in der Google-Translate-Übersetzung):
Lieber Dichter, dichte mir.
Kippenberger zum 70. Geburtstag (KI-Version)
Satchmos Trompete hallt durch die Straßen.
Pinselstriche von Albert Oehlen auf den Hochhauswänden.
Entbehrung und Depression verweilen in der Moll-Tonart.
Rauchschwaden steigen aus der Bootshauskammer auf.
Warum fühlen wir uns gefangen, wie Fische in einem Aquarium?
Barsche und Dorsche schwimmen im Kreis.
Matjes und Blumenkohl, ein Hauch von Heimat.
Aber die Schüsse der Amateurliga ertönen in der Ferne.
Nasenflügel gebläht, die Vachetten auf der Oberlippe.
Frauenbart gesegnet durch die Pollen in der Luft.
Im Alkoven schreibt Ernst Jünger vom Panther.
Blood Boy, eine Zimtstange in der Hand.
Jovet’s Instinct Studio, Grundierung und Kreuzschlitzschrauben.
Full-Service-Fallen für die Ahnungslosen.
Aber der gelbe Schaum auf der Körperschwelle
Erinnert uns an den Triller des Lebens, den Respekt, den es verdient,
Wenn sich das Erkerfenster für einen Hauch frischer Luft öffnet.
Wir werden an die Schönheit der Welt und das gesegnete Zuhause erinnert.
Wir alle suchen.
Hm. Wir finden’s eigentlich echt besser als unseren eigenen Erguss – auch wenn uns das Gefühl beschleicht, dass ChatGPT in seiner Dichtung ein paar Worte Kippenbergers unterschlagen oder doch zumindest beschnitten hat (wir sind uns aber auch nicht sicher). Aber sonst: Ja. Interessant. Spannend. Irgendwie expressionistisch (Reihungsstil!). Gefühlvoll. Hat was.
Aber was?
Um das herauszufinden, haben wir Dichter und Übersetzer auch noch um eine Interpretation ihrer eigenen Dichtung gebeten (Dankeschön, Google Translate! Dankeschön ChatGPT!) Voilà:
Das Gedicht ist eine Reflexion über die Komplexität menschlicher Emotionen und Erfahrungen und verwendet eine Vielzahl von Bildern, um verschiedene Themen zu vermitteln. Die erste Strophe bezieht sich auf Satchmo, einen berühmten Jazzmusiker, und Albert Oehlen, einen zeitgenössischen Künstler, um die Kraft von Kunst und Musik anzudeuten, um Emotionen hervorzurufen und ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen. Die zweite Strophe beschreibt Gefühle der Entbehrung und Depression, und das Bild von Fischen, die in einem Tank gefangen sind, suggeriert ein Gefühl von Eingeschlossenheit und Mangel an Freiheit. Der Bezug zu „Matjes und Blumenkohl“ weckt Nostalgie und Sehnsucht nach Heimat.
Die dritte Strophe führt das Thema Gewalt und Gefahr ein, wobei „Amateurliga-Schüsse“ und „Vachettes“ (ein französischer Begriff für junge Kühe) mit aufgeblähten Nüstern erwähnt werden, was Anspannung und Angst suggeriert. Der Hinweis auf „Pollen in der Luft“ könnte implizieren, dass Schönheit und Segen auch an unerwarteten Orten zu finden sind.
Die vierte Strophe verschiebt sich zu einem Fokus auf die Kraft der Vorstellungskraft und der Kunst, wenn Ernst Jünger über den Panther schreibt und der „Blutjunge“ eine Zimtstange hält, was auf die Schaffung von etwas Neuem oder Veränderlichem hindeutet. Der Verweis auf Jovets „Instinct Studio“ und „Primer Paint“ und „Phillips Screws“ könnte auf die Idee hindeuten, die Werkzeuge und Ressourcen zu nutzen, die einem zur Verfügung stehen, um etwas Neues zu schaffen.
Die letzte Strophe schließt den Kreis des Gedichts und kehrt zum Thema der Schönheit des Lebens und der Sehnsucht nach Heimat zurück. Das Bild des „gelben Schaums“ auf der „Körperschwelle“ mag auf die Flüchtigkeit des Lebens und die Wichtigkeit hinweisen, es wertzuschätzen. Das „Erkerfenster“, das sich zum „Frischlüften“ öffnet, impliziert die Idee, einen Schritt zurückzutreten und die Schönheit der Welt zu sehen, und die letzte Zeile betont, dass dieses Gefühl von Schönheit und Heimat etwas ist, das wir alle suchen.
Insgesamt deutet das Gedicht auf die Komplexität menschlicher Emotionen und Erfahrungen hin und wie Kunst, Musik und Vorstellungskraft uns helfen können, sie zu navigieren und zu verstehen.
Ah. Jetzt sehen wir klarer! Nochmal Dankeschön. Nochmal Bitteschön. (26.02.2023)
Und vielleicht zum Vergleich und im Appendix doch noch mal unser Kippenberger-Gedicht vom Vortag:
Lieber Dichter, dichte mir.
Kippenberger zum 70. Geburtstag (Humanoid-Version)
Sebastian „Satchmo“ F. C. Döhlen,
ein guter Freund von Albert Oehlen
Lag wegen Deprivation
Im Krankenhochhaus auf Station.
„Why“ fragte er beim Gang zur Dusche,
„Wurde ich diese Depri–Lusche
Die nur in Moll noch denken kann?
Und: Wie locke ich Liebe an?“
Satchmo nahm erstmal seine Shower
(danach ist man ja immer schlauer),
Verfiel hierauf in tiefen Schlummer
(der beste Helfer gegen Kummer)
Und schrieb, derweil er nicht mehr schlief,
Den Ärzten einen Handschrift-Brief:
„Verzeihung„, schrieb er, „Therapeuten,
Bei mir gibt‘s nichts mehr auszudeuten,
Ich will mich nie mehr Trostbetrinken.
In Arme einer Nutte sinken.
Ich will, dass Amor die Verschlüsse
Der Seele öffnet. Und durch Schüsse
Der Liebe echte Brücken baut.
Samt amouröser Gänsehaut.
Die Heilung liegt im Liebeswahn,
Mit Schönem Gruß*, Sebastian.
P.S.: Um all das wahr zu machen
Werd‘ ich mich aus dem Stäubchen machen
Und ziehe, nehmt es mir nicht krumm,
nach Kreuzberg in ein Bootshaus um.“
***
Das Bootshaus war an sich charmant:
Ein Chambre, Decke, Erker, Wand,
Zwei Fenster (eins davon zum Lüften),
Und Bücher (bis zu Satchmos Hüften):
Ernst Jünger („Strahlung“, „Stahlgewittern“)
Gedichte („Panther„), was von Schwittern
„Blutjung„, „Enthauptung“ (von Nabokov)**
Und „Zimtstange“ von Jovet-Orkov***
Zu lesen gab es an der Spree
Also genug für Zwei in spe,
Indes galt’s noch das Haus durch Handeln
In ein Trieb-Studio zu wandeln.
Sprich: mit dem Grundierfarbeimer,
Kreuzschraubenzieher, Bettentkeimer
den Liebenslaubenfaktor rocken
Und dann durch Kochen Männer locken.
***
Im Krankenhochhaus: Vollbedienung.
Am See von Kreuzberg: Selbstkantinung!
Weshalb Satchmo ins Wasser ging,
Wo er in Reusen Fische fing:
Den Dorsch, den Barsch, den Kabeljau,
Hering für Matjes (oder blau).
Mit diesem Fang im Bootehaus
Warf Satchmo brutzelnd Köder aus.
Das roch der Blumenkohl(en)peter.
Beruf: Amateurlíga-Treter.****
Mit Sinn für Bücher und Genuss:
Ein Steilpass für Amores Schuss.
***
Im Ganzen machte Peter frischen
Gesamteindruck. Ganz niedlich: Zwischen
Dem Nasenflügel (auch apart!)
Und Oberlippe: Damenbart.
Satchmo war rundum angetan
Und hob zu dieser Rede an:
„Gebenedeiet seist du, Peter!
Nach Hause schick‘ ich dich erst später.
Lass uns als Form des Indiskreten
Die Körperschwelle übertreten*****
Bis dass der Triller unserer Freude
Im Alkoven den Schaum vergeude!“ ******
Danach sprach Peter fast dasselbe!
Der Einklang war vom Ei das Gelbe!!
Und Peters Schuzpe Endstation
Für Satchmos Deprivation.
Respekt muss man der Liebe zollen,
Dass sie mit ihrer Anmut Pollen
Performt, was Therapie am Mann*******
Trotz Medizin nicht leisten kann.
Bitteschön. Dankeschön. (25.02.2023)
* MSG eben
** Ein Lapsus Kippenbergers! Nicht „Blutjung“, sondern „Lolita“ (1955). Und natürlich „Einladung zu Enthauptung“ (1934)
*** Francoise Jovet-Orkov (1932-1986), französische Existentialistin, Schwester der Bryologin Suzanne Jovet-Ast. Ihre erotische Gedichtsammlung „Zimtstange“ ist , wie der Nachfolgeband „Gesäße in Vachettenleder“ zu Recht vergessen.
**** Mit Betonung auf „Liga“, nicht auf „Amateur“
***** Bei Kippenberger steht „Schwellkörper„, aber wir halten das für einen Schreibfehler. Was zur Hölle sollte das auch sein.
****** Wir vermuten: Es geht um Champagnerschaum!
******* Und an der Frau natürlich! Ts ts ts, Herr Kippenberger!
© für alle Kunstwerke: Estate of Martin Kippenberger / Galerie Gisela Capitain
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…dem KI-Gedicht fehlt die Seele
Antwort KunstArztPraxis: Ha, 1:1! Herzlichen Dank, Ihre KunstArztPraxis
das KI-Gedicht ist unglaublich.
Antwort KunstArztPraxis: Dann leider 1:0 für das KI-Gedicht 🙁 Ihre KunstArztPraxis