2 x keine Pfeife: Magritte zum 125. Geburtstag
Als Maler war René Magritte sicher keine Pfeife, aber sein wohl berühmtestes Gemälde „Der Verrat der Bilder“ (1929) überzeugt uns trotzdem nicht. Oder vielleicht doch? Unsere beiden Gedichte zum 125. Geburtstag des belgischen Surrealisten jedenfalls entwerfen ein ambivalentes Bild. Doch: Lesen Sie selbst:
Dies ist keine Pfeife I.
René Magritte zum 125. Geburtstag
Nein. Das ist wirklich keine Pfeife:
Das ist ein Bild. An einer Wand.
Dazu braucht’s keine Hochschulreife.
Nicht Plato, de Saussure, noch Kant.
Was? Eine Pfeife? Nein, mitnichten!
Wer fühlt, braucht nichtmals Augenlicht
Zu der Erkenntnis, dieser schlichten:
Nö. Eine Pfeife ist das nicht.
Dit is geen pijp. Cachimbo? Nimmer!
Es ist in jeder Sprache nämlich:
Wer‘s трубка* nennt, hat keinen Schimmer.
Wer fajka dazu sagt, ist dämlich.
So weit so klar. Bleibt nur formal
EIN Rätsel: Was dich dazu trieb,
Unter dein Pfeifenbild banal
zu malen: „Ceci n’est pas une pipe”?
Drum schreiben wir ins Land der Fritte,
Nach Brüssel, dieser schönen Stadt:
Das war zu seicht, Monsieur Magritte!
Und bleibt als Botschaft ziemlich platt.
*trubka
Halt! Stop! Als wir unser Gedicht vor Kurzem nochmal lasen, beschlich uns der Gedanke, dass wir René Magritte vielleicht doch irgendwie unrecht tun: SO kunstgeschichteerstsemester, dass es schon einen Michel Foucault braucht, um das Gemalte in den Olymp der Kunstgeschichte hochzuschreiben, kann das Werk doch gar nicht sein!
Auf jeden Fall haben wir zur Ehrenrettung des eigentlich ja tollen & sehr geistreichen Künstlers schnell noch ein zweites Gedicht geschrieben. Und JETZT erscheint uns Magrittes Gemälde plötzlich in einem völlig anderen Licht! Großer Zauber das.
Voilà:
Dies ist keine Pfeife II.
René Magritte zum 125. Geburtstag
Magritte, der Belgien verließ,
Erreicht per Nacht-Express Paris
Und steht noch träumend am Perron,
Da klingelt schon sein téléphone.
„Ich bin es, Pablo! Ey, was geht?“,
Fragt‘s im kubistischen Gerät.
„Wir steh‘n hier auf den Seine-Brücken
Und haben richtig Bock auf kicken.
Georges ist dabei, Jean, Joan, Umberto,
Piet, Chaim, Wassily, Amadeo,
Max, Marc, László und Salvador:
Zehn Mann fürs Feld, zwei Mann fürs Tor.
Doch EIN Mann fehlt noch, fiel uns ein.
Magst vielleicht unser Schiri sein?“
Klar mag René! Indes: Verdammt:
Er weiß so gar nichts von dem Amt!
„Was braucht man denn, um schiedszurichten,
zum Grätschen-Ahnden, Streite-Schlichten?“
Die Kuben-Stimme kann’s verraten:
„Pfeife, Trikot und bunte Karten!“
Ach so. Magritte zieht (zweifelsohne
Gekonnt), was folgt, aus der Melone:
Die Karten, Shorts (mit blauer Schleife!),
ein T-Shirt, seine Tabaks-Pfeife.
Und geht, ohne sich umzublicken,
in diesem Outfit zu den Brücken
Wo an der Seine, damit es startet,
Die Avantgarde auf Anpfiff wartet.
Doch als die Avantgarde sieht
Was René aus der Hose zieht
Versinkt Magritte im Hohnesstrahl
Ob seiner Instrumentenwahl.
„Dass man mich einmal so verlacht,
Hätte ich nie im Traum gedacht!“,
Denkt sich Magritte. Und eine Träne*
Fließt übers Trikot Richtung Seine.
Zurück in Brüssel geht René
Zutiefst gekränkt ins Atelier.
Daheim muss er sich unter Winseln**
Das Trauma von der Seele pinseln.
Das Bild, das folgt, ist wohlbekannt.
Jedoch sein Hintergrund verschwand:
Es ist als Warnung zu verstehen,
Mit FALSCHEN Pfeifen kicken gehen.
Gemalt aus Wut, Enttäuschung, Pein.
Ja, SO muss es gewesen sein.
*eine Träne der Wut! Nicht, dass wir uns missverstehen.
** dito.
Also: Wir persönlich finden das zweite Gedicht (trotz der schwachen 8. Strophe) besser. Deshalb muss letztere Version mit Sicherheit stimmen.
Quod erat demonstrandum. Bitteschön. Dankeschön.
(21.11.2023)
Anmerkung für unsere französische Übersetzerin: Viel Spaß, Françoise! ????
Anmerkung für alle Anderen: Auch hier hätten wir sehr gerne wieder das Original von „Der Verrat der Bilder“ gezeigt. Aber wieder verrät die Unsichtbarkeits-Maschine jene Bilder, denen sie sich angeblich verschrieben hat, indem sie sie unzeigbar macht. Grmblfx.
Anmerkung für Leseratten: Auch wenn wir seine Interpretation von „Las Meninas“ noch mehr schätzen: Foucaults Abhandlung „Das ist keine Pfeife“ ist gar nicht mal soooo schlecht.
Die lyrische Hausapotheke der KunstArztPraxis:
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Zum 110. Geburtstag: Ode an Jackson Pollock
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Intuition statt Kochbuch. Ein Editionsgedicht
Allerliebst. Für einen Betriebsausflug der Kunstarztpraxis empfehle ich übrigens gern einen in die Wallonie nach Lessines, den Geburtsort von Magritte. Sehr schön, wie ihm dort auf Hauswänden und mit Installationen ehr belgisch, also ohne Dünkel, gehuldigt wird.
Antwort KunstArztPraxis: Herzlichen Dank! Und: Den Betriebsausflugs-Tipp behalten wir im Hinterkopf! Bleiben Sie uns gewogen, Ihre KunstArztPraxis