“spielzeit #1” mit eröffnen: “Morsbroicher Kunsttage”
Es ist ein großes Wort, aber das Museum Morsbroich erfindet sich gerade neu. Das muss gefeiert werden – und zwar mit einem Wochenend-Eröffnungsfest (13.5.-15.5.2022) zur “spielzeit #1”. Wir empfehlen: Unbedingt die “Morsbroicher Kunsttage 02” besuchen! Es soll Ihr Schaden nicht sein.
Eigentlich gehen wir nicht gern zu Ausstellungseröffnungen. Oft rutscht man auf Stühlen rum und wartet, bis das Reden endet. Zu sehen gibt es erst später was, zu essen auch, und der einzige Sinn, der neben den Ohren zu Wort kommt, ist der für Po- und Rückenschmerz. Wir sind ja auch nicht mehr so richtig frisch.
Zu den “Morsbroicher Kunsttagen 02”, die die Ausstellung “spielzeit #1” des Museums Morsbroich in Leverkusen von Freitag bis Sonntag eröffnen, werden wir aber auf alle Fälle gehen, und zwar mit großer Freude. Denn das tolle Team um den neuen Direktor Jörg van den Berg hat uns den Mund bei einem Vorab-Besuch am Dienstag schon so richtig wässrig gemacht.
Wir sind schon feu et flamme
Ein “sinnliches Totalereignis” sollen die Kunsttage werden. Und nach allem, was wir von “spielzeit #1” schon sehen – und von den beteiligten Künstler*innen vor Ort zum Teil auch hören – durften, glauben wir das unumwunden.
Zu feiern jedenfalls gibt es auf Schloss Morsbroich nichts weniger als einen Neuanfang. Denn lange hing das Damoklesschwert der Schließung über dem Museum. Das Schwert stammte von einer banausigen Beraterfirma, die der Stadt Leverkusen so allen Ernstes Geld einzusparen empfahl.
Der Aufschrei der entrüsteten Kunstwelt ließ den Boden beben, die Stadt erwachte, und jetzt ist sogar Geld da, um den brach liegenden Park im Verbund mit Künstler*innen in einer “Werkstatt Morsbroich 2022-2026” in jener Weise neu zu beleben, die seinem Potenzial entspricht.
Die Parkanlage mit beleben
“spielzeit #1” will diesen Prozess gemeinsam mit den Besucher*innen künstlerisch-kreativ begleiten. Wer jetzt aber befürchten sollte, das könnte auf so nüchterne, orthopädisch bedenkliche und akademische Weise geschehen wie bei mancher Ausstellungseröffnung, der sollte sich am kommenden Wochenende getrost eines Besseren belehren lassen.
In “spielzeit #1” darf man mitdiskutieren und mitdenken, wie es mit dem Museumskomplex weitergehen soll. Hierfür gibt es Arbeitstische, ein “Wunscharchiv” und eine erhellende “Diskurslampe” am Kung-Fu-Stab. Und im alten Jagdzimmer gibt es temporär ein offenes Direktoren- und Kurator*innen-Büro.
Man kann aber auch einfach nur großartige Kunst betrachten; das Meiste ist so niederschwellig-selbsterklärend-spielerisch, wie man das seit Jahrzehnten vom Museum Morsbroich kennt.
“Schaukeln nur mit rotem Rock!”
Oder man setzt sich bei offenen Türen einfach mitten in den mit einer Graureihertapete und Wortwolken ummantelten Ausstellungsraum auf eine Schaukel. Sie hängt in der Blickachse zwischen dem Wasserspiel Jeppe Heins vorm Schloss und dem Wasserfall im Park dahinter. Der Durchblick ist famos.
Die Schaukel pustet einem den Kopf frei wie weiland den beschwingten Damen des Rokoko. Doch Obacht: Ein roter, vom Künstlerduo Czenki & Schäfers bereitgestellter Rock ist Dresscode sine qua non.
Ein Schaukel-Pendant wird während der “Morsbroicher Kunsttage 02” auch im Schlosspark aufgehängt, und das ist metaphorisch nur das augenfälligste Beispiel für die angestrebten Verbindungen im Neukonzept.
Im Grunde nämlich trägt das ganze Eröffnungswochenende auf sehr sinnliche Art ansatzweise bereits das nach Draußen, was dereinst Schloss und Park, inneren Garten und Parkplatz, benachbartes Obstgut, Kunstklub M und Kunstverein auf dem Areal wieder enger verzahnen – bzw. sein Potenzial erst erschließen – soll.
Der Parcours und das Dazwischen
Umrahmt wird das Wochenende mit einem verbindenden Parcours mit dem Unternehmer Christian Jacobs, der die Besucher*innen am Freitag symbolisch und kapitalbringend vom Rathaus (Politik) zum Schloss (Kunst) hinüberführt – und am Sonntag wieder retour.
Dazwischen kommt Venedig in den Spiegelsaal – und DJ Edelescort in den Kunstvermittlungs-Klub. Man kann mit Schirin Kretschmann einparken, beim Picknick mit Czenki & Schäfers der Botschaft der Bäume lauschen, zeitgenössische Lyrik inhalieren oder Pizza mit den Schlossgespenstern essen.
Und der Bürgermeister und der Museumsdirektor sprechen auch, vor Publikum: nicht wie bei Eröffnungen allgemein üblich nach-, sondern einfach einmal miteinander.
Mit den Morsbroicher Kunsttagen 02 knüpft Direktor Jörg van den Berg an eine gleichnamige Initiative an, mit der sein Vor-Vor-Vor-Vorgänger Udo Kultermann 1961 Musik, Literatur und Kunst grenzüberschreitend zusammenbringen wollte.
Wir schauen uns die Fortsetzung nach über 60 Jahren am Wochenende einmal an, machen vielleicht auch etwas mit, reichen gegebenenfalls ein paar Ideen zur Neugestaltung ein und werden sicher in der KunstArztPraxis berichten.
Allerdings sind wir uns jetzt schon sicher, dass wir am Sonntag mit gesunden Pos und entspannten Rücken, vor allem aber mit vollen Köpfen und vollen Herzen wieder nach Hause gehen. (12.05.2022).
Die “Morsbroicher Kunsttage 02” eröffnen “spielzeit #1” vom 13. bis 15. Mai 2022. Ein Ticket reicht für alle drei Tage. Das reichhaltige Programm findet sich hier. Danach ist “spielzeit #1” noch bis zum 16. September 2022 zu sehen und verändert sich dabei beständig. Es bietet sich also an, öfters zu kommen – mit der günstigen 365-Tage-Karte (Erwachsene 25 Euro, Schüler 12 Euro) kein Problem. Und dann folgt im Herbst 2022 auch noch die “spielzeit #2”. Hach. Schon wieder was zum Vorfreuen.
Museum Morsbroich in der KunstArztPraxis:
Mehr Licht (3): Mischa Kuball in Leverkusen (bald Opfer der Unsichtbarkeits-Maschine)
Jetzt spricht das Ensemble! (leider geschluckt von der Unsichtbarkeits-Maschine)
Reine Bildgebung (5): „Das Ensemble“ in Leverkusen
Programm der “Morsbroicher Kunsttage 02”
Homepage Museum Morsbroich
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