Oh, dieses Leuchten! Etel Adnan im K20 in Düsseldorf
Obacht: Die KunstArztPraxis muss schon wieder lyrisch werden! Denn bei der Ausstellung „Poesie der Farben“ der libanesisch-amerikanischen Malerin und Dichterin Etel Adnan (1925-2021) in der Kunstsammlung NRW geht es um nichts weniger als gemaltes Licht. Und das ist einfach ziemlich wunderbar.
Wir haben noch nicht abschließend darüber nachgedacht, aber vielleicht sind wir Drei von der KunstArztPraxis ja deshalb so begeistert von der Licht-Kunst, weil wir, wie vor Kurzem ausgeführt, höchstselbst Gespenster sind, die nur bisweilen Körper werden.
Bei Licht-Kunst materialisiert sich in Wellen ja etwas, was nicht allein aus Partikeln besteht. Am Beispiel von James Turells „Floater 99“ in Unna haben wir die damit verbundenen Empfindungen – literarisch; es geht ja nur literarisch! – zu beschreiben versucht.
Bei Etel Adnan im K20 der Kunstsammlung NRW beschlich uns ein irgendwie genau umgekehrtes Gefühl. Hier hatten wir eher den Eindruck, als würden die aus greifbaren Pigmenten gemachten, mit dem Spachtel statt dem Pinsel großflächig auf die Leinwand aufgebrachten Farben in einer für uns unbegreiflichen Art und Weise alles Materielle abstreifen wie einen Mantel.
Und unter dieser Hülle wäre nichts als Leidenschaft & Licht & Leuchten. Und vielleicht sogar eine Art von Liebe für etwas, von dem wir noch nichts wussten.
Uns war, als hätten sich die vielen Feuerzungen der malerischen Sprache in Geist zurückverwandelt und erleuchteten als pures Strahlen das Museums-Firmament. So viel Pathos muss an dieser Stelle leider sein.
Woher um Himmels Willen kommt dieses Licht, dieses Leuchten? Wir zerbrechen uns schon eine ganze Weile den Kopf darüber, aber wir können es nicht einmal ansatzweise ergründen.
Es bleibt ein Mysterium, das diesen Farben in diesen speziellen Kompositionen offenbar innewohnt.
Jetzt lesen wir im Nachhinein im Katalog, dass Etel Adnan in ihrer Malerei tatsächlich das versucht hat, was wir darin sahen: „Materie in Geist verwandeln. Die Schwelle überschreiten. Alle Zeichen vernichten, dann hinter ihnen her sein.“
Die Malerin hat also offenbar alles richtig gemacht. Zumindest in Bezug auf uns.
Austausch zwischen arabischer und westlicher Welt
Wir lesen auch, dass Adnans Werk im lebendigen Austausch zwischen arabischer und westlicher Welt verdankt, vom Kalligrafischen herkommt, von der Politik fast stärker als von der Magie, von der Landschaft, ja: einer ganz konkreten Landschaft, von einem Berg sogar: vom Mount Tamalpais in Kalifornien, auch & besonders von ihm.
Alles dies ist also von Adnan gesehene Materie: Alles das sind Steine, Pflanzen, Zeichen, Häuser, menschliches Handeln, das in einem Leuchten vergeistigt werden musste.
Wir lesen, dass Etel Adman das halbwegs geometrische Sonnensystem ihrer Bilder oft um ein erstgemaltes rotes Quadrat kreisen lässt. Dass sie als Malerin schon früh in Klee verliebt war, in ihrer Kindheit – und später noch? – Besuch von Engeln hatte.
Vielleicht ist sogar das wichtig für dieses ungläubige, aber begeisterte Staunen, das ihre Malerei in uns erzeugt hat.
Und dann lesen wir Adnans eigene, manchmal fast haikuhafte Poesie. „Ein Geist muss diese sogenannten unbeseelten Dinge bewohnen“, lesen wir. „In der Ferne frisst das Licht am Licht, vernichtet sich selbst in größter Helligkeit, betritt das Unendliche.“ Oder: „Das Universum könnte als reines Licht enden … das Licht könnte nicht enden.“
Hier also kommt Etel Adnans Liebe her! Und hier geht ihre Liebe hin.
Ein viel zu schwacher Ausdruck
Noch ist dieses potenzielle Ende aller Welten natürlich nicht eingetreten, noch ist das Licht nicht wieder nackt. Noch leuchtet bei Etel Adnan das Firmament. Wir finden: „Poesie der Farben“ ist eigentlich ein viel zu schwacher Ausdruck hierfür. (19.06.2023)
„Etel Adnan. Poesie der Farben“ ist noch bis zum 16. Juli 2023 im K20 der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf zu sehen.
Anmerkung: Wir legen großen Wert auf die Feststellung, dass wir das Bild von der Materie als Mantel fürs geheimnisvolle Leuchten gefunden haben, BEVOR wir von Etel Adnans Idee des „nackten Lichts“ gelesen haben. Nur, falls Fragen kommen.
Die Kunstsammlung NRW (K20 und K21) in der KunstArztPraxis:
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