Harald Naegeli in Köln: Ein Tod verschwindet weiter
Heute (12.09.2024) hat die Stadt Köln bekannt gegeben, dass das berühmte Graffiti-Skellett des „Sprayers von Zürich“ Harald Naegeli an der Kirchenwand des Kölner Museum Schnütgen bei Reinigungsarbeiten versehentlich stark beschädigt worden ist. Passiert also nicht nur Joseph Beuys.
Aber das Kunstwerk von Harald Naegeli verschwand ja vorher schon, wir hatten darüber mal vor Urzeiten anlässlich einer Naegeli-Ausstellung in besagtem Museum ein Gedicht gemacht. Und das bringen wir aus gegebenem Anlass jetzt einfach noch einmal. Es wird ja offenbar nicht alt. Voilà:
Ein Tod verschwindet.
Für Harald Naegeli
Heut‘ haben wir den Tod gesehn.
Er hing an einer Mauer.
Er war nicht mehr zum Sterben schön,
Wohl auch zu schwach fürs Niedermähn,
Und selbst in tiefster Trauer.
Wir hätten ihn fast nicht erkannt,
Den Ausbund an Gebrechen.
Fast wären wir vorbeigerannt
Am Todestorso an der Wand,
Da hörten wir ihn sprechen:
„Ihr seid doch Arzt! (Und Humorist!)
Drum, bitte, kurz verweilen!!
Denn was mir widerfahren ist,
Von Alpha bis zur Galgenfrist,
Das passt in 20 Zeilen.
Am Anfang stand ich illegal
In meinem hohen Bogen.
Wir waren viele an der Zahl
Die in dem Großstadtjammertal
Um die Häuser zogen.
Dem Exitus entrann ich da
Als fröhliches Gerippe.
Banausen, Priestern, Sprayern, ja:
Dem Amt für Unterhaltung gar
Sprang ich einst von der Schippe.
Dann kam das Amt für Denkmalschutz
Und mit ihm kam das Sterben.
Bald bin ich nur noch Sprühlackschmutz
Wer wird mich dann als Kirchenputz
An meiner Wand beerben?
Farblos muss ich als alter Mann
nunmehr vom Leben lassen.
Was einmal fröhlich frech begann
Mit einem Totentanzgespann
Ist einsames Verblassen.“
So wird sogar der Tod vergehn.
Doch eines bleibt zu sagen:
Wird er dereinst auch ganz verwehn,
So haben wir ihn noch gesehn
In seinen letzten Tagen.
Bitteschön. Dankeschön. Ihre KunstArztPraxis (12.09.2024)
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Der Sprayer von Zürich in Zürich
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