StartseiteAusstellungVon den Dingen: Wiebke Siem im Kunstmuseum Bonn

Kommentare

Von den Dingen: Wiebke Siem im Kunstmuseum Bonn — 4 Kommentare

  1. Oha, liebes KunstArztPraxis-Team, da ist ja wohl Wiebke Siem in Eure Falle getappt und nicht umgekehrt! 😉 Toller Text. Weiter so!

  2. Das einzige das hier „retro“ und völlig aus der Zeit gefallen ist, ist Ihr atemberaubender Sexismus. Sie tappen in jede Falle die ich Ihnen gestellt habe und Sie machen den Hauptfehler jeder Kunst und Literaturbetrachtung, sie halten jedes Kunstwerk für autobiographisch. Ich kann Ihnen versichern, es ist fast immer Fiktion und damit stehe ich nicht allein.
    Ich lasse in meiner Arbeit 100 Jahre männerdominierter Moderne Revue passieren und persifliere sie, es handelt sich um Satire. Ich bediene ich mir der Objekte, die die Künstler der Moderne benutzt haben. Die Surrealisten kannten kei n Billyregal und wenn, dann hätte ich es benutzt.
    Wenn Sie einen einzigen Blick in den Ausstellungskatalog geworfen hätten und aufmerksam durch die Ausstellung gegangen wären statt Ihre klischeehaften Phantasien über Frauen bestätigt zu sehen, dann hätten sie es bemerkt.
    Und nur zu Ihrer Information: weder meine Eltern noch meine Großeltern haben im Gelsenkirchener Barock gewohnt, sie hatten einen guten Geschmack! Die Verwendung dieser Art von Möbel in meinen Installationen sind Teil meiner satirischen Sicht auf die Kunstgeschichte in unserem Land.
    Ihren „skurrilen Tanten“ kann ich nur meine eigenen Tanten entgegensetzen, deren Leben man zerstört hat, in dem man Ihnen, anders als Ihren Brüdern, Abitur und Studium verweigerte. Einige von Ihnen haben daraufhin Ehe undFamilienleben abgelehnt und sich ein eigenes, selbstbestimmtes Leben und Berufsleben aufgebaut. Ihrem Kampf um Würde und Unabhängigkeit in einer frauenfeindlichen Umwelt gilt meine größte Achtung . Sie sind meine Inspiration und mein Vorbild.
    Wiebke Siem

    Antwort der KunstArztPraxis:

    Sehr geehrte Wiebke Siem,
    es tut uns leid, dass Ihnen unsere Betrachtung Ihres Werks nicht gefallen hat – und dies umso mehr, als wir es ja wirklich sehr zu schätzen wissen. Über den Vorwurf des Sexismus denken wir gerne intensiver nach, weil uns nichts ferner liegt, als sexistisch zu sein (bzw. sein zu wollen). Sexismus ist Verbrechen.

    Zu unserer Ehrenrettung möchten wir allerdings dann doch noch kurz vermerken, dass wir Ihr Werk in keiner (!) Weise autobiografisch deuten; diesen immergleichen Reflex einer bestimmten Form der Kunstkritik mögen wir ebenso wenig wie sie. Autobiografien von Künstler*innen interessieren uns bei der Deutung ihrer Werke eher gar nicht, im Gegenteil: Eigentlich sind wir vor ein paar Jahren angetreten, einer biografisch arbeitenden Kunstbetrachtung etwas entgegenzustellen. Und das machen wir seitdem.

    Wir können nämlich immer nur sagen, was Kunst – NATÜRLICH als Fiktion! – in UNS auslöst, welche Assoziationen ein konkretes Werk in UNS freisetzt, weil wir aus bestimmten Kontexten stammen, und das sind eben die beschriebenen, die wir in literarisierter Form – als Fiktion – verarbeitet haben, weil Reden über Kunst in unseren Augen, (wenn überhaupt, nur so funktionieren kann. Sollte DAS die Falle gewesen sein, in die wir hineingetappt sein sollen, dann bekennen wir uns schuldig.

    Dass Ihnen unsere Betrachtung nicht gefallen hat, tut uns, wie schon gesagt, sehr leid. Und dass sie geschmackvollere Tanten hatten, ist vielleicht ein Glück für Sie gewesen, spielt aber für unsere Betrachtung keine Rolle. WIR hatten eben diese, die in den beschriebenen (und von Ihrer Kunst in uns eben wieder wachgerufenen) patriarchalischen Strukturen gefangen waren. Bei ihren Tanten mag es anders gewesen sein, aber im Leben der unsrigen hatte die Singer-Nähmaschine und das Witwenbett und der Gelsenkirchener Barock nun mal seinen Platz. Diese Tanten „skurril“ zu nennen verbitten wir uns, denn wir haben sie sehr geliebt. Es waren zwei sehr tapfere, wundervolle, aber eben auch sehr traurige, da in den oben beschriebenen patriarchalischen Strukturen gefangene Frauen. Zumindest da, wo WIR herkommen, gab es von diesen Frauen viele. Und Geschmack muss man sich ja oftmals auch leisten können.

    Wie schon gesagt: Wir finden Ihre Arrangements im Kunstmuseum Bonn klasse und können nur Jeder/Jedem raten, sich von diesen Fiktionen zu eigenen Erzählungen anregen zu lassen – auch wenn wir das als Ihre Intention offenbar komplett missverstanden haben. Ebenso empfehlen wir den sehr schön gemachten Katalog, den wir, entgegen Ihrer Vermutung, von vorne bis hinten mit Freude durchgelesen haben. Wir schreiben nur einfach nicht gerne aus Katalogen ab und würde es auch in Zukunft so halten wollen.

    Dass wir ihre Kunst für brandaktuell halten, haben wir in unserer Betrachtung ja schon angemerkt. Warum wir ihren Surrealismus, unter anderem als Rückgriff eben auf die Mittel der (männlichen) Moderne, für „retro“ halten, weil sie sich ja immer auch auf dessen Verfahren und Rollenbilder rückbeziehen, auch.

    SIE haben den Teppichklopfer unter anderem bei Hans Bellmer gefunden, WIR eben in unseren Erinnerungen, ebenso retro (lateinisch = rückwärts), daheim.

    Sollte all dies nicht sinnfällig geworden sein, bedauern wir auch das.

    Die KunstArztPraxis

    P.S.: Im Übrigen waren auch die Objekte des Surrealismus in unseren Augen schon damals völlig aus der Zeit gefallen, das ist Teil seines Zaubers und seiner Magie, die bis heute wirkt. Billy-Regale hätte wohl nur Marcel Duchamp benutzt, aber sicher nicht, um Geschichten zu provozieren, sondern zur Provokation des Kunstbegriffs.

    P.P.S.: Wie ein Surrealismus geartet sein könnte, der (in der Wahl seiner Mittel! Nur in der Wahl der Mittel!!) vorwärtsgewandt sein möchte, kann man vom 27. August 2023 bis 28. Januar 2024 im Max Ernst Museum in der Ausstellung “Surreal Futures” mit ihren interaktiven Videoarbeiten, VR-Werken, und Multimedia-Performances sehen. Wir maßen uns nicht an zu behaupten, dass das besser ist.

    P.P.P.S.: Nur der Vollständigkeit halber: Dass Sie in Ihrer “Arbeit 100 Jahre männerdominierter Moderne Revue passieren” lassen und sich der Objekte bedienen, die die Künstler der Moderne benutzt haben, haben wir begriffen. Ob es sich bei Ihrem Werk um Satire handelt, bezweifelt zumindest der Literaturwissenschaftler in unserer Praxis, zumindest auf den ersten Blick. Aber auch darüber denken wir noch einmal nach. Mit Sicherheit jedenfalls arbeiten Sie mit Überzeichnung und Humor. Und das finden wir, wie schon gesagt, ziemlich klasse.

  3. Die Ausstellung von Wiebke Siem fand ich auch sehr großartig. Und ich hatte ähnliche Assoziationen. Die Geschichte von den winzigen Tanten hat mich sehr berührt. <3

  4. Die Geschichte von den kleinen Tanten gefällt mir so gut. Von solchen Beobachtungen und Erinnerungen rund um den Gelsenkirchener Barock in den Stuben möchte ich mehr lesen.

    Antwort KunstArztPraxis: Dankeschön. Das freut uns alle wirklich sehr. Und: Wir werden weiter in uns gehen. Ihre KunstArztPraxis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

HTML tags allowed in your comment: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>