Wegen Putin: Kolumba statt Kippenberger
Eigentlich wollten wir hier ein Gedicht zum 25. Todestag Martin Kippenbergers bringen. Stattdessen zeigen wir Fotos zur ausgezeichneten Ausstellung „In die Weite“ zu 1.700 Jahren jüdischem Leben in Deutschland im Kölner Kolumba. Und wir erklären natürlich den Verzicht.
Appendix zur Erklärung: Warum nicht Kippenberger?
Ja, wir hatten an dieser Stelle ein der Komik zuzurechnendes Gedicht zu Ehren Martin Kippenbergers vorgesehen, das wir vor ein paar Wochen geschrieben haben. Es wäre angemessen gewesen, denn heute (07.03.2022) ist sein 25. Todestag. Aber uns ist das Lachen gründlich vergangen – nicht nur, weil wir der Ukraine – wie übrigens auch Russland – durch familiäre Bande verbunden sind.
Das ist schade, denn Humor ist ja ein sicheres Indiz für friedliche Zeiten – oder doch zumindest für die tröstliche Hoffnung darauf. Humor ist bekanntlich seit jeher die Waffe der Waffenlosen, eine Eigenschaft der Freiheitsliebenden, Toleranten, teils auch Schwachen und Ohnmächtigen, im besten Falle Warmherzigen, Sozialen und Empathischen, also: der Demokratie. Echter Witz ist immer anti-autoritär, öffnend, verbindend; Diktatoren können, wenn überhaupt, nur Sarkasmus und Häme.
Was die Umstände gerade beweisen, indem sie einem unablässig grimmig dreischauenden Potentaten, der Emotions- und Humorlosigkeit mit staatsmännischer Größe verwechselt, einen Präsidenten entgegenstellen, der in seinem früheren Leben mit einer Satire über politischen Machtmissbrauch und Korruption im eigenen Land bekannt geworden ist. Und in der Verzweiflung eine Ernsthaftigkeit und Würde entwickelt hat, die spaßfreie Machthaber an ihren albernen, meterlangen Empfangstischen so nie entwickeln könnten.
In der Ukraine kämpfen mutige, unglaublich freiheitsliebende, da leiderprobte Menschen, die lieber lachen würden, gegen einen Diktator, der offenbar nicht lachen kann, für eine Zukunft, in der das Lachen wieder möglich sein könnte. Wir hoffen also inständig, dass bald wieder der verbindende Humor in Europa Einzug hält und der zerstörerische Größenwahn zur Hölle fährt. Dann bringen wir sicher auch unser Kippenberger-Gedicht. Vielleicht zu seinem 70. Geburtstag im kommenden Jahr. Denn trotz anderslautender Gerüchte hat wohl noch Niemand mit Humor sich oder einen anderen totgelacht.
Jetzt zeigen wir aber erstmal unsere Bilder der großartigen Jahresausstellung im Kolumba über eine ebenfalls leiderprobte, von Vertreibung und Auslöschung geprägte Kunst und Kultur, die Ernst und Humor trotzdem in vielfacher Hinsicht vereint. Denn in der Ukraine werden ja im ganzen Leid nicht nur die Demokratie und tolerante Werte, sondern auch eine identitätsstiftende Kultur mit eigener Sprache und komplexer Geschichte zerbombt, die seit dem Kiever Rus vieles von dem hervorgebracht hat, was heute schon fälschlicherweise einseitig vereinnamend als russisch gilt. (07.03.2022)
P.S.: Wir sind uns ziemlich sicher, dass Wolodymyr Selenskyj unter anderen Umständen über Martin Kippenberger würde lachen können. Vielleicht hat er es sogar schon mal getan, wir trauen es ihm zu. Ein menschenverachtender Schlächter wie Wladimir Putin, der sogar die unverschämterweise so genannten „humanitären Korridore“ als Teil seiner psychologischen Kriegsführung begreift, kann das sicher nicht. Und das sagt schon eine ganze Menge.
P.P.S.: Nur der Vollständigkeit halber ein medizinische Wahrheit – wir sind ja eine KunstArztPraxis: Arschlöcher können schon aus rein anatomischen Gründen nicht lachen.
P.P.P.S.: Der Großvater unserer Kinder hat Anfang der Neunzigerjahre die tiermedizinische Versorgung der jungen Ukraine mit einer Pharmafabrik in Browary mit aufgebaut. Es ist sein genau vor 30 Jahren begonnenes Lebenswerk, das die Truppen Putins vermutlich genau in diesem Augenblick während der Vorbereitung einer Großoffensive gegen Kiew über Browary zerstören.
Anmerkung zur Fotostrecke: Sehr gerne hätten wir hier auch unsere „In die Weite“-Fotos der Werke von Siegfried Anzinger, Monoka Bartholome, Dieter Villinger, Antoni Tàpies, Michael Buthe, Ellen Keusen, Horst Antes, Dieter Krieg, Konrad Klapheck, Jannis Kounellis und Agnes Martin präsentiert. Aber da macht uns leider die gefräßige Unsichtbarkeits-Maschine einen Strich durch die Rechnung. Wir danken allen Künstler*innen, die sich ihr nicht in den Rachen geworfen haben.
„In die Weite. Aspekte jüdischen Lebens in Deutschland. Eine historisch-ästhetische Annäherung“ ist noch bis zum 15. August 2022 im Diözesanmuseum Kolumba Köln zu sehen.
Kolumba in der KunstArztPraxis:
Schönheits-OPs (2): Das Kölner Kolumba
Reine Bildgebung in der KunstArztPraxis:
Reine Bildgebung (7): Polke & Co in Düsseldorf (teils Opfer der Unsichtbarkeits-Maschine)
Reine Bildgebung (6): Neue Sammlung im Museum Küppersmühle Duisburg
Reine Bildgebung (5): „Das Ensemble spielt das Stück“ im Museum Morsbroich
Reine Bildgebung (4): Lanigan-Schmidt bei Kaps
Reine Bildgebung (3): Marcus Neufanger
Reine Bildgebung (2): Brigitte Waldach in Herford
Reine Bildgebung (1): Joseph Beuys in Wuppertal (Opfer der Unsichtbarkeits-Maschine)
Es ist immer sehr erfrischend von der KunstArztPraxis etwas zu lesen. Diesmal ganz besonders!
DANKE
Ich verehre Eure Schreibkunst !