Ein Jahr auf der Couch: Wie wir 2023 verarztet haben
Inzwischen ist 2023 ja schon etwas in die Jahre gekommen. Künstlerisch blickt es auf ein bewegtes, teils schönes, teils aber auch sehr ungesundes Leben zurück. Wir von der KunstArztPraxis haben es mit Diagnosen und Rezepten begleitet. Und lassen unsere Therapien im Jahresrückblick als Epikrise nochmal Revue passieren.
Um es gleich vorweg zu sagen: 2023 ist uns ein ganz ganz großer Coup gelungen! Wir haben nämlich einen echten van Gogh gefälscht und der Kölner Dependance des Auktionshauses Sotheby’s untergejubelt! Das Auktionshaus hat diesen echt falschen van Gogh dann zu einer Rekordsumme von 159,2 Millionen versteigert. Und am Ende haben wir auch noch Google ausgetrickst.
Toll, oder?
„159,2 Millionen für van Goghs ‚Gurkenmädchen‘!“ war unser Aprilscherz 2023, wir drei Nostalgiker machen solche Albernheiten noch. Im Grunde ist der Beitrag eine Satire auf den Kunstmarkt, und dass er 2023 am häufigsten – nämlich in acht Monaten sensationelle 29.779 Mal mit einer Durchschnitts-Lesedauer von sensationellen zwei Minuten! – geklickt worden ist, zeigt leider auch, dass immer noch viel zu viele Menschen mehr am kunstumhüllenden Brimborium interessiert sind als am Kern der Kunst.
Also, bitte: 2024 vor allem wieder unsere Kunst-Beiträge klicken! Dankeschön.
Allerdings haben die hohen Klickzahlen dazu geführt, dass unser Aprilscherz-Brimborium um den KI-generierten van Gogh dem KI-generierten Algorithmus von Google ein Schnäppchen hat schlagen können. Wer in der dortigen Suchmaske die Frage „Was ist das teuerste Bild von van Gogh?“ eingab, bekam, zumindest bis gestern (27.12.2023), unsere Fälschung ausgespuckt.
Toll, oder?
So wird sich unser van Gogh in Tausenden 2023 geschriebenen Proseminar-Arbeiten von Kunstgeschichts-Stundent*innen wiederfinden. Und das ist doch auch schon ein schöner Erfolg.
Was gab es 2023 sonst noch in der KunstArztPraxis?
Fast so viele Nutzer wie an unserer Van-Gogh-Geschichte nahmen übrigens Anteil an unserer Beschreibung des Begräbnisses von Mary Bauermeister – dicht gefolgt von unserem endgültigen Abschied von ihrem Märchenreich. Und unsere bitterböse Kritik der wahrlich grottenschlechten WDR-Sendung „Stand up for Art“ steht auf Platz 4.
Was waren weitere unserer schönsten Erfolge? Na: Lena Henke zum Beispiel haben wir in Herford sogar eine komplette eigene Ausstellung verschafft – und für die Faltkunst von Erwin Hapke – nach der Räumung des alten Hauses vor zwei Jahren – im Berichtsjahr ein komplettes neues Haus gebaut! Auch darauf sind wir ziemlich mächtig stolz.
Ohnehin waren wir das ganze Jahr über Weihnachtsmann! Yoko Ono hat zum 90. Geburtstag 90 nagelneue Grapefruits von uns bekommen und René Magritte zum 125. zwei neue Dichtungs-Pfeifen und Marcel Duchamp zum 55. Todestag fünf neue Readymades (dank unserer Kooperation mit seinen großen Kollegen Michelangelo, Albrecht Dürer, Max Ernst, Joseph Beuys und Ai Weiwei). Und auch für Pablo Picasso gab’s eine unserer legendären Lobhudeleien aus unserer lyrischen Hausapotheke.
Unser Battle mit dem Chatbot
Ansonsten haben wir darüber berichtet, wie Katja Novitskova in Siegen die Pinguine ihres Glücks beraubt, wie Peter Piller in Düsseldorf Ordnung schafft, wie Alicja Kwade in Duisburg unsere Seelenblindheit aufdeckt oder warum Christiane Löhr viel bessere Ideen hat als der oben schon genannte Michelangelo.
Wir haben Cornelius Völker vor seinen Kritikern in Schutz genommen und Tilo Keils grandiose Negativ-Collagen aus den Sechzigerjahren dem Vergessen entrissen. Wir waren bei Nicole Eisenman in München auf Betriebsausflug. Und wir sind für Martin Kippenberger in ein Lyrik-Battle getreten: KunstArztPraxis („Lieber Dichter, dichte mir„) gegen KI („Liebes Chatbot, dichte mir„). Hat auch viel Spaß gemacht.
DA war die Kunst 2023: unsere persönlichen KunstArztPraxis-Ausstellungs-Highlights
Was hat weniger Spaß gemacht?
Was hat weniger Spaß gemacht? Naja, wir haben uns mit einer wütenden Wiebke Siem streiten müssen (hier bitte ihren Kommentar zum Beitrag lesen)! Zudem haben wir uns – erfolgreich! – im Dienst der Kunst mit der Deutschen Bahn angelegt und einem Museumsdirektor – vermutlich erfolglos – zu erklären versucht, warum wir so fotografieren, wie wir es nun einmal tun. Es gibt halt leider auch Museumsdirektoren, die unseren Blog nicht lesen.
Und anlässlich der Ausstellung „Menschheitsdämmerung“ im Kunstmuseum Bonn sind wir sogar ein bisschen weltpolitisch geworden. Denn wir finden, dass 2023 weltpolitisch eher bescheiden war. Und wünschen uns für 2024 Besserung.
Vielleicht gelingt das ja mit der von uns 2023 erfundenen Stilrichtung des Frutar(t)ismus? Jedenfalls sind alle Künstler*innen dieser Erde seitdem dazu aufgerufen, letztere durch ersteres etwas besser zu machen.
In diesem Sinne: Bleiben Sie uns gewogen.
Mit den besten Wünschen fürs neue Jahr,
Ihre KunstArztPraxis
(28.12.2023)
Eure Aktion mit dem gefälschten van Gogh und der Verkauf bei Sotheby’s hat mich wirklich zum Schmunzeln gebracht! Es zeigt auf humorvolle Weise, wie absurd der Kunstmarkt manchmal sein kann und stellt die Wertschätzung echter Kunst in Frage.
Euer Engagement, nicht nur die Kunstwelt zu hinterfragen, sondern auch mit einem Augenzwinkern zu kritisieren, finde ich erfrischend. Wie plant ihr, in 2024 weiterhin solche spannenden Aktionen umzusetzen, um uns alle ein wenig zum Nachdenken anzuregen?
Antwort KunstArztPraxis: Herzlichen Dank, lieber Herr Elias! Zukunftsprognosen dieser Art fallen ja leider unter die kunstärztliche Schweigepflicht und einen van Gogh fälscht man auch nicht alle Tage, aber man darf sich natürlich überraschen lassen (Zwinkersmiley)! Viele Grüße, bitte bleiben Sie uns gewogen, Ihre KunstArztPraxis
Liebe KunstArztPraxis, das mit Google klappt noch immer, ich habe gerade die Frage in die Suchmaske eingegeben. Genialer Coup! Weiter so!!!
Antwort KunstArztPraxis: Danke fürs Testen, liebe(r)(s) KunstHunter. Wir sind beruhigt. Ihre KunstArztPraxis.
Große Klasse, was ihr macht. Weiter so, ihr seid die Größten! Jan
Antwort KunstArztPraxis: Oh, ja, äh, Danke!!! Wir sind selbst sehr erstaunt, dass wir noch existieren. Ihre KunstArztPraxis
Bin erst kurz dabei, aber sehr angetan. Freue mich schon auf 2024.Sehr vielversprechend die Vorschau. Ich werde mir erlauben auch mal zu meckern, wenn ich denke dass diese Künstlerin oder jener Künstler überschätzt sind. Der Blog ist wirklich einzigartig. Fühlte mich vom ersten Lesen und ersten Kommentieren an Zuhause. Mehr geht nicht innerhalb eines solchen Mediums. Danke!!!
Antwort KunstArztPraxis: Sehr gern geschehen. Für kluge & mündige Leser wie Sie machen wir das Ganze ja. Von daher: ruhig meckern! Obwohl es bei uns natürlich aus unserer Sicht wirklich nix zu meckern gibt.Spaß! 😉
Hui, der Kommentar von Wiebke Siem! Ehrlich gesagt hätte ich den für Fake gehalten. Aber wie cool, dass die Künstler*innen euer Blog lesen – wenn sie es denn war. 😉
Danke für all die schönen Beiträge, die ich immer sehr gerne lese. Die Mischung aus kunsthistorischer Expertise, sprachlicher Gewandheit, einer guten Portion Humor und Kreativität machen die KunstArztPraxis in der deutschen (Kunst-) Bloglandschaft einzigartig!
Kommt gut ins neue Jahr, das hoffentlich wunderschön wird und uns inspirierende Ausstellungen bescheren wird. Liebe Grüße Ute
Antwort KunstArztPraxis: Wir glauben schon, dass Wiebke Siem es war. Aus gut unterrichteten Kreisen wissen wir nämlich, dass die Künstlerin ihrem Unmut auch an anderer Stelle Luft gemacht hat. Ansonsten finden wir es auch sehr cool, dass Künstler*innen in die KunstArztPraxis schauen. 🙂
Und: Dankedankedanke für das Kompliment! & Mit den besten Wünschen für 2024 auch von uns,
Ihre KunstArztPraxis
P.S.: Klar wird es ein tolles Kunstjahr! Wir freuen uns zum Beispiel schon sehr auf Annem işçi – Wer näht die roten Fahnen? (Marta Herford, 27.01.–28.04.2024), Tony Cragg. Please touch! (Kunstpalast, 22.02-26.05.2024), Louisa Clement (Kunstmuseum Bonn, 22.2.-16.6.2024), Pionierinnen der Malerei (Arp Museum, 25.2.-16.6.), Nevin Aladağ – Interlocking (Max Ernst Brühl, 10.03. – 30.6.2024), Andreas Slominski (Museum Folkwang, 15.03.– 07.07.2024), Hilma af Klint und Wassily Kandinsky (K20, 16.03.-11.8.2024), Roni Horn. Give Me Paradox or Give Me Death (Museum Ludwig, 23.03– 11.08.2024), Franz Erhard Walter (Bundeskunsthalle, 22.03.-28.06.2024), Mike Kelley (K 21, 23.3. – 8.9.2024), Kiki Smith (Arp Museum, 21.04.-20.10.2024), Katharina Grosse (Kunstmuseum Bonn, 25.04.-06.10.24), Alberto Giacometti (Max Ernst Museum Brühl, 01.09.– 15.1.2025), Gerhard Richter (Kunstpalast Düsseldorf, 05.09.2024-02.02.2025), Mark Dion (Bundeskunsthalle, 08.09.2024 bis 05.01.2025), Yoko Ono (K20, 28.09.2024 – 16.03.2025), Lucio Fontana (Von der Heydt-Museum Wuppertal, 08.10.2024-12.01.2025), Fluxus (Museum Ludwig, 12.10.2024 – 09.02.2025) und Katharina Sieverding (K21, 01.11.2024- 09.03.2025)!!!
Antwort Ute: Hui, mega! Danke für die Vorschau. Ich notiere schon mal in den Kalender …. ????
Antwort KunstArztPraxis: Gern geschehen. Ist ja Teil unserer prognostischen Diagnostik. Ihre KunstArztPraxis
Ich lese die Kunstarztpraxis wirklich sehr sehr gerne. Macht weiter so und ich wünsche euch einen guten Rusch.
Herzlichst
Anke (Kulturtussi)
Antwort KunstArztPraxis: Darüber freuen wir uns sehr sehr sehr zurück! Herzlichen Dank, liebe Anke (Kulturtussi)! Und einen guten Rutsch retour, inklusive eines „weiter so“ auch von unserer Seite für 2024, Ihre KunstArztPraxis
Ihr ward echt fleißig, liebe Kunstärzte! Das Jahr mit euch hat Spaß gemacht ;-). Im Ernst: Euch zu lesen ist immer eine Wohltat. Grüße vom Niederrhein. Johanna