Ein Jahr auf der Couch: Wie wir 2022 verarztet haben
Inzwischen ist 2022 ja schon etwas in die Jahre gekommen. Künstlerisch blickt es auf ein bewegtes, teils schönes, teils aber auch ungesundes Leben zurück. Wir von der KunstArztPraxis haben es mit Diagnosen und Rezepten begleitet. Und lassen einige unserer Therapien im Jahresrückblick noch einmal Revue passieren.
Weltpolitisch war 2022 für uns derart turbulent, dass wir am Ende am liebsten in einem Gemälde Piet Mondrians verschwunden wären. Es war so turbulent, dass in unseren Augen bei Harald Naegeli sogar der Tod aus Köln verschwand. Wegen Putin mussten wir ein Gedicht für Martin Kippenberger verschieben (das bringen wir jetzt zu seinem 70. Geburtstag am 25. Februar 2023!) – wobei wir immerhin nachweisen konnten, dass der größenwahnsinnige Tyrann seine Ideen teils belgischen Comics verdankt.
Da kommt es uns im Nachklapp fast unbedeutend vor, dass die Deutsche Bahn ein Bild von Maria Lassnig verboten hatte. Trotzdem haben wir uns auch da ein bisschen aufgeregt.
Aber es gab 2022 auch Lichtblicke!
Aber es gab 2022 auch Lichtblicke: Die documenta 15 zum Beispiel war laut unserem eigens einberufenen Diagnostiker*innenkollektiv besser als ihr einseitiger Ruf in den Medien. Bei den Ausstellungen war Christo so ein Lichtblick, Antony Gormley, Miriam Cahn und Berlinde De Bruyckere auch. Das Marta Herford brachte uns sogar mächtig ins Erzählen (danke, Marta Herford!). Wir durften Ghostwriter der Autobiografie von Benjamin Katz sein (zumindest bei den Passagen über Richter, Penck und Polke). Und wir konnten Ai Weiwei was zum 65. Geburtstag schenken (hoffentlich hat er die Geschenke inzwischen ausgepackt).
Eine ganze Woche lang feierten wir Gerhard Richters 90. – zum Beispiel mit einem Quiz und unseren Erinnerungen an seinen Zyklus zur RAF. Wir besangen den 110. Geburtstag von Jackson Pollock. Wir schalteten eine Anzeige für ein Hexenhaus mit Schlossblick in Morsbroich und konnten so tatsächlich dabei helfen, es an eine Hexe zu vermieten. Und am Ende sprach uns Richard David Precht dann doch noch aus der Seele. Das war zumindest geisteswissenschaftlich ein versöhnlicher Abschluss.
Ach ja: Hier kommen noch unsere Lieblingsbilder von unseren Lieblingsausstellungen 2022. Voilà:
Und jetzt machen wir die KunstArztPraxis mal für ein, zwei Wochen dicht.
VertretungsKunstArztPraxen gibt es leider keine. Wir empfehlen, bis zum Wiedersehen Selbstheilungskräfte zu aktivieren, bei Bedarf ältere Packungsbeilagen zu lesen und einschlägige Museen Ihres Vertrauens aufzusuchen. Da wird Ihnen sicher auch geholfen.
Ansonsten: Bis im Neuen Jahr!
Ihre KunstArztPraxis (28.12.2022)
Anmerkung: Die Couch, auf der uns 2022 sein Herz ausgeschüttet hat, steht im Museum Morsbroich. Sie gehört zum wundervollen “parklabyr” des Künstlerduos Margit Czenki & Christoph Schäfer, das Jede*n einlädt, an der Neugestaltung des Museums mitzudenken. Für uns auch so ein Highlight des Jahres.
Und das hier wären dann auch noch jene KunstArztPraxis-Beiträge, die sich hinter der Fotostrecke oben verstecken:
Mehr Licht (4): Adela Andea im ZFIL in Unna
Wegen Putin: Kolumba statt Kippenberger
Paula Modersohn-Becker in Remagen: Frau = Birke
Neue Routen durch die Sammlung: „Marta Maps“
In der Strafkolonie: Cardiff & Miller in Duisburg
So geht soziale Plastik! Pedro Reyes im Marta
Katharina Hinsberg: Making-of „Linie im Raum“
Die Luft der Yoko Ono: „Welt in der Schwebe“
Zukunft mit Einhorn: „spielzeit #1“ in Leverkusen
Für uns von Putin eingeholt: „City Limits“ in Düsseldorf
Musik für Augen: Sean Scully in Neuss
Die Haut der Seele: Berlinde De Bruyckere in Remagen
„Meine Juden“: Miriam Cahn im MGK Siegen
Morsbroich, zu vermieten: Hexenhaus mit Schlossblick!
Morsbroich: Hexenhaus mit Schlossblick ist vermietet!
Bilder sprechen: Martha Jungwirth in Düsseldorf
Nah-Diagnose: So war die documenta 15 wirklich!
Traum nach innen: Antony Gormley in Duisburg
Museum Morsbroich: „spielzeit“, nächste Runde
„Bibliomania“ in Bergisch Gladbach: Buch als Körper
Marta reloaded: Inventur und Vision in Herford
Reine Bildgebung spezial: Art Cologne 2022
Vergewaltigung durch Sehen: „Susanna“ in Köln
Fleißig wart ihr! Ich freue mich auf neue Ein- und Ansichten im nächsten Jahr. Kommt gut rüber.
Antwort KunstArztPraxis: Herzlichen Dank. Und: Das wünschen wir von Herzen auch. Die KunstArztPraxis